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RUNNING DAD – Marathon und Familie, wie geht das eigentlich zusammen?

Freitag Abend, besser gesagt, Freitag Nacht. Andere sitzen jetzt auf der Couch oder am Tresen. Ich laufe, renne durch die Nacht. Fünfunddreißig Kilometer sind es heute. Fünfunddreißig waren es auch die letzte Woche, die Woche davor und werden es die nächsten Wochen auch sein. Gerade habe ich ein Lächeln im Gesicht. Durch meine Ear Pods vernehme ich die Stimmen von Hendrik Pfeiffer und dem laufverückten Reporter Christian Schmidt im Rahmen des fantastischen Podcasts EINER RENNT EINER HINTERHER, den ich für mich entdeckt habe und deren schiere Länge von eineinhalb Stunden mich oft begleit auf meinen nächtlichen Marathontraining-Odyseen. Christian Schmidt nämlich zollt gerade jenen Tribut, die es trotz Job und neben Familie schaffen, ambitioniert zu trainieren und fragt sich, wie die das eigentlich hinkriegen. Das freut mich wirklich sehr. Es freut mich, dass das endlich mal jemand versteht und vor allem, mal jemand sagt. Er nennt unter anderem Gesa Krause, die eine Tochter zur Welt brachte und dennoch geradeaus für Olympia in Paris trainiert. Als Vater, der ich bin, berührt mich so eine Biographie sehr. Ich habe Achtung vor jeder Extremleistung eines jeden Sportlers, aber am allermeisten interessieren mich die Taten jener, die Außergewöhnliches schaffen trotz schwieriger oder einschränkender Umstände. Jeder Mensch mit Geld kann um die Welt reisen und Bilder der Freiheit posten. Aber wenn wie im Film “WEIT ” das ein Paar ohne Geld, zu Fuß und ohne CO2-Impact macht und währenddessen ein Kind zur Welt bringt, oder zwei Studentinnen mit dem Rad mit minimalen Mitteln jahrelang durch Afrika fahren und alles, was sie dabei haben, in zwei Satteltaschen passt, dann beeindruckt mich viel, viel mehr . Und so verhält es sich bei mir mit Menschen mit Kindern, die neben dem Wahnsinn der Erziehung da raus gehen.

Und ja, lieber Christian, ich kann dir sagen, wie man das als Familienvater hinkriegen kann. Indem man sich immer und immer wieder aufrafft, sich immer wieder in den Hintern tritt, indem man liebt, was man tut und seine Ziele verfolgt, auch wenn man dafür einen Preis bezahlt. Denn – nichts ist umsonst. Trainiere ich für einen Marathon, dann muss ich die Zeit für das Training so unterbringen, dass sie meine Familie nicht tangiert, unserer Quality-Time nicht beeinträchtigt. Einen Fünfunddreißiger, für den ich über drei Stunden brauche, kann ich deshalb nur dann laufen, wenn die Kids schlafen, dann ist Minimum halb neun, manchmal neun. Manchmal schlafe ich beim Zu Bett bringen ein und wache um halb zehn auf. Dann bin ich hundemüde und denke – “FUCK!” Ich gehe ins Bad mit müden Augen, ziehe mein Zeug an. Gehe runter an den Küchenschrank, packe mir zwei Gels ein, fünf Aminotabletten, fülle meine Soft Flask, sage “bis morgen” zu meiner besseren Hälfte, ziehe die Schuhe an und gehe raus. Wenn ich Glück habe steht über mir ein schwarzer Sternenhimmel. Wenn ich Pech habe, schüttet es. Ich nehme es, wie es kommt. Dann nehme ich mein Handy, wähle den Podcast aus und laufe los. Und dann, wenn ich loslaufe in die dunkle Straße, dann werde ich Stück für Stück zum Läufer, der Bock hat auf das, was er tut. Ich höre zwei Laufbesessenen zu, die mich über eineinhalb Stunden retten, über die erste von zwei Runden um diese neue Stadt, in der ich lebe.

Auf meinem Weg begegne ich kleinen Teeniegruppen, die durch die Nacht zur nächsten Party tingeln, Studenten auf dem Weg in die Kneipe. Laufe durch Wohnviertel, in denen die Lichter nach und nach erlischen. Ich sehe Tiere, die jetzt erwachen. Meinen Freund, den Igel, der die Gegend wieder unsicher macht. Höre dieses Summen des Industriegebietes, das ich durchquere. Betrachte den großen Wagen und eine Milliarde Sterne über mir. Und dann, es geht auf Mitternacht zu, wird es am härtesten, wenn es auf die Endbeschleunigung zu geht. Heute sind es 9K – Marathonpace – und ich beschleunige und versuche das hinzukriegen trotz zunehmender Müdigkeit und trägen Beinen. Oft schaffe ich es nicht, schaffe die Pace nicht. Schaffe ohnehin vieles nicht , was andere schaffen. Weil mir oft die Zeit fehlt, die Energie, die Power, das Privileg des Trainings bei Tageslicht, ich müde bin vom Job, vom Training. Aber hier bin ich und ich laufe und weiß, dass er kommt, der nächste Wettkampf, den ich herbei sehne, auf den ich mich freue wie ein kleines Kind. Und wenn der Tag kommt, ich rein gehe in das Rennen, dann mache ich das mit jeder Pore meiner Haut, mit meiner ganzen Seele, bin ganz und gar da und lege alles rein. Warum? Weil es ein Privileg ist – das Leben an sich, dass sich laufen kann, ich es darf, ich gesund bin, es mir gut geht, hier Frieden ist, noch, das alles. Ich denke es macht Sinn, alles reinzulegen in das, was man liebt. Warum sollte man das nicht machen? Ist es nicht kurz, das Leben? Kann es nicht morgen vorbei sein mit allem, mit der Gesundheit? Habe ich morgen Krebs, dann ist das alles morgen vorbei, ist der Rhythmus ein anderer. Wenn ich das raus gehe und das mache, dann denke ich nicht an sowas, aber irgendwo intuitiv ist das in mir drin. Carpe Diem, nutze den Tag, nutze die Zeit, nutze das fucking Leben, gehe da raus verdammt, auch wenn es wehtut.

Das Leben war nie dafür gedacht, bequem zu sein, von Beginn an. Ist es nicht das Wesen von uns, Grenzen zu suchen, sich zu zerreißen im Versuch, etwas zu schaffen, irgendwas? Ganz ehrlich, manchmal habe ich keine Ahnung, warum ich das mache, mir das antue. Aber eines weiß ich ganz sicher. Das Schmerz vergeht. Nächte wie diese vergehen und wenn ich heimkomme dann bleibt das Gefühl, etwas geschafft, etwas geleistet zu haben. Und dieses Geleistete nimmt Form an, wird immer größer und gibt einem so viel Kraft, das gibt es gar nicht. Und nicht zuletzt die Gewissheit und die Power, nicht einzuknicken, durchzuhalten nicht nur bei der einen Sachen, sondern in allem. Es gibt einem dem Mut, den Kids etwas mitzugeben, groß zu denken, in die Weite zu blicken. ich weiß, das ist crazy, verrückt und sicher nicht für alle nachvollziehbar. Aber so bin ich, so sind wir, wir RUNNING DADDYS UND MUMS. Gute Nacht allerseits.

Ma San[/Avatar]

2 Kommentare

  • Martin

    Hallo Martin,

    sehr schöner Artikel. Ich kann es gut nachvollziehen.
    Nach langjähriger Laufpause bin ich seit ca. 9 Monaten auch wieder am Start und versuche im Laufe des Jahres einen Marathon und mehrere Wettkämpfe mitzunehmen. Mir helfen diese Ziele ungemein als Motivation für ein. regelmäßiges Training. Ähnlich wie bei dir.
    Mit geht es übrigens auch wie dir, wenn nicht ganz so krass. Nachdem der kleine Sonntag 21.00 Uhr im Bett ist, geht es halt nochmal raus 😉

    Mein größtes Problem ist allerdings ein anderes: Als junges Kitakind bringt mein Sohn aktuell ständig Infekte an und die nehme ich dann in der Regel auch immer mit. So das der Trainingaufbau dann wieder ordentlich durcheinander kommt. Das nervt echt…ist aber nicht zu ändern.

    viel Erfolg dir und mit dem HM heute bist du ja gut auf Kurs in Richtung Sub3 😉

    • MaSan

      Hey,

      es tut wirklich gut zu wissen, dass es andere gibt denen es ähnlich geht. Und mit den Infekten, da sagst du was! Im Dezember dachte ich noch, ich wäre davongekommen, aber ab Januar ging es unterm Strich in einem Zug durch bis jetzt mit Infekten. Bei dem HM jetzt hat es mich auch rechtzeitig vorher erwischt. Ich wollte erst absagen, aber da es am Renntag wirklich weitestgehend abgeklungen war, ging ich an den Start. Im April steht ein Marathon an, aber für diesen Lauf habe ich mit Vorsatz keine Bestzeitstrecke gewählt, sondern eine mit ein paar Höhenmetern und einfach eine tolle Laufstrecke, so ganz ohne künstlichen, eigenen Druck auf mich selbst. Da ich kein hohes Pensum hinkriege gerade war das glaube ich eine gute Entscheidung. Herzlichen Dank fürs Vorbeischauen, lieben Gruß aus der Pfalz und maximalen Erfolg und Spaß bei deinen Vorhaben wünsche ich Dir !!!

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