Schnell unterwegs auf dem Trail – der HOKA ONE ONE ZINAL
In Berlin gab es eigentlich nur eine Strecke, auf denen ich mal einen Trailschuh hätte gebrauchen können, den Berliner Höhenweg, auf dem wir während Covid im Rahmen eines schönen FKT-Wettkampfes um die Wette liefen. Gleich zwei Mal legte ich mich dabei filmreif so richtig hin. Das lag an meinen Straßenlaufschuhen, mit denen man im Wald insbesondere bei hohem Tempo des öfteren mal den Grip verliert. Auch für meine sporadischen Urlaube im Pfälzer Wald, wo ich dann fast ausschließlich bergige Trails lief, legte ich mir nie Trailschuhe zu, weil zu wenig Umfänge. Und gerade bei nassem Wetter hatte ich bei so manchem Downhill nicht unbedingt ein gutes Gefühl und auch hier legte ich mich durchaus mal hin. Nachdem ich nach fast 25 Jahren Leben in den Großstädten der Welt nun wieder in die Pfalz gezogen bin wurde es also höchste Zeit für anständige Trailschuhe. Nachdem ich mehrere Modelle im Auge hatte entschied ich mich für den HOKA ONE ONE ZINAL, der mir für meine Zwecke einfach perfekt zu sein schien. Nachdem ich diesen nun knappe 100K bei über 3.000 Höhenmetern einschließlich einem Rennen getestet habe, bin ich restlos zufrieden mit meinem ersten Schuh aus der HOKA-Familie. Warum das so ist, erfahrt ihr in diesem Artikel.
Key Features
Wie immer liste ich hier mal kurz und knapp einige der wesentlichen Merkmale diesen Schuhs auf:
- Nachhaltigkeit: Vegan, Mesh aus Recycling-Material (das ist mal richtig cool, finde ich!)
- Sprengung: 4mm (wie meine Kinvara und perfekt für den Mittel- und Vorfußlauf)
- Passform: Breite Zehenbox, normale Breite
- Unterstützung: Keine Pronationsstütze (was gut ist für erfahrene Läufer*Innen)
- Außensohle: Vibram, 4mm Stollen hinten und vorne, nicht in der Mitte zur Gewichtsreduktion
- Zwischensohle: Keine Dämpfung am Rück- und Vorfuß, dadurch geringe Bauhöhe, Biegsamkeit und folglich ein direktes Laufgefühl (was mir extrem entgegen kommt)
- Gewicht: Ca. 240 Gramm (das ist extrem leicht für einen Trailschuh)
- Einsatz: Trail und Gelände, aber auch Door to Trail geeignet (das sind viele Trailschuhe nicht, weil auf alpines Gelände ausgerichtet)
- Sonstiges: Zehenschutz, eingenähte Lasche
Das sind nun Daten, die sich erst einmal gut anhören. Diese gilt es nun zu interpretieren bzw. zu deuten. Also: Zunächst einmal fällt das geringe Gewicht auf und 240 Gramm ist wirklich enorm leicht. Andere für mich interessante Schuhe wie der Mont Blanc von Altra, der Cascadia von Brooks oder Long Sky 2 von Merrell sind da schon wesentlich schwerer. Erreicht wird das durch das Weglassen von allem, was man nicht wirklich unbedingt braucht. So sind die Stollen in der Schuhmitte ausgespart, die Polsterung ist reduziert, das Mesh inklusive Zunge extrem dünn. Und jetzt wird es interessant. Die Bauhöhe ist um satte 11 mm geringer als beispielsweise einem SPEEDGOAT, d.h. der Fuß ist nah am Boden, das Laufgefühl dadurch direkt. Im Resultat entsteht ein wendiger, dynamischer, überraschend direkter und schneller Schuh, der für hohes Tempo designed ist. Obwohl an Polsterung gespart wurde, ist er dennoch enorm komfortabel (wie ich finde) und sitzt wie eine Socke perfekt am Fuß. Von der Materialität her wirk der Zinal sehr hochwertig und strapazierfähig. Der Zinal wird primär für kurze, weniger technische Trails empfohlen, was am zu geringen Schutz und dem Mangel an Komfort festgemacht wird. Außer den Stollen hat der Zinal einen Zehenschutz, der im Vergleich zu anderen Modellen tatsächlich gering wirken kann. Nun kommt es darauf an, wofür man einen Trailschuh braucht. Für den Pfälzer Wald und die Rennen hier ist dieser Schutz absolut ausreichend aus meiner Sicht. Geht man alpin, sicherlich nicht. Ich hatte mehrere Modelle in der Hand und die allermeisten waren für meine Zwecke überdimensioniert mit riesigen Stollen, viel Polsterung und waren, für mich kritisch, sehr starr bzw. nicht biegsam. Natürlich soll das dem Schutz dienen, ist klar. Das geht aber auch extrem in Richtung Abkappen der Empfindsamkeit des Fußes, der den Boden ja tasten möchte. Als jemand, der dem Fuß ganz und gar vertraut und auf dessen Sensoren schwört, liebe ich die Einfachheit und Direktheit des Zinal und halte diesen Schuh für den perfekten Begleiter auf nicht-alpinen Trails, also für die Trails unserer Wälder, und zwar ganz und gar auch auf Langstrecken.
Außen- und Zwischensohle
Die Megagrip Litebase Außensohle beschränkt sich auf Ferse und Vorfuß. Klar geht das ein wenig auf Kosten der Sicherheit. Für einen Vorfußläufer wie mich, der zudem stets auf das Feeling der Untergrunds vertraut, ist das jedoch vernachlässigbar, da ich ohnehin fast nie mittig auftrete, in bergigem Terrain schon gar nicht. Die eng zusammenliegenden 4-mm-Stollen haben guten bis sehr guten Grip auf Sand, Steinen, Wurzeln und Fels und das auch, wenn es nass ist. Wir es sehr schlammig, hoch technisch oder alpin, kommt der Zinal sicherlich an seine Grenzen, aber auf den gängigen, moderaten Trails fühle ich mich jedenfalls absolut sicher mit dem Zinal. Die Stollen stören auch keineswegs auf Asphaltpassagen, die man bis zum Trail zurücklegen muss. Ich habe den Zinal bei einem anspruchsvollen Trail-Wettkampf getragen und auf den bergigen Trails der Pfalz auch bei nassem Wetter. Der Grip ist wirklich tadellos und man gewinnt Lauf für Lauf mehr Vertrauen, auch bei halsbrecherischen Downhills. Letztlich bedeutet das unterm Strich wieder Speed und dafür ist dieser Schuh gebaut.
Die Zwischensohle besteht aus einem sehr leichten und weichen oberen Teil und fest gummiertem EVA-Schaum darunter. Das führt auch bei so einem reduzierten und direkten Schuh wie diesem zu guter Dämpfung, überraschendem Komfort und toller Dynamik und Reaktiviert, wie ich finde.
Laufgefühl, Komfort und Schutz
Nah am Boden, flexibel und leicht wird der Lauf direkt, d.h. der Fuß passt sich dem Trail an und verharrt nicht starr. Steine, Wurzeln und Fels werden spürbar, drücken sich aber zu keiner Zeit durch. Gleichermaßen entsteht ein Gefühl für den Untergrund, eine stete Rückmeldung, was sich auf den Laufstil überträgt. Auch vom Komfort her überzeugt der Zinal trotz der Trimmung auf minimales Gewicht. Der aus recycelten Garnen bestehende Schaft mag extrem dünn sein. Die sparsamen TPU-Overlays sind jedoch durchdacht eingesetzt, die Zehenbox ist geräumig und der Schaft lässt sich durch die abgeflachte, elastische Schürung Bootie-like wie eine Socke an den Fuß heranziehen. Entstehen bei einem Altra Escalante hier Hohlräume, ist das hier nicht der Fall. Das Ding sitzt perfekt und es entsteht ein sicherer Halt. Reduzierte Polsterung an Zunge und Ferse sind gewiss gewöhnungsbedürftig für den ein- oder anderen, aber genau das macht diesen Schuh auch mitunter so leicht und flexibel. Das dünne Mesh und die dünne Zunge sind schnelltrocknend durch die dünne Bauart und Materialität. Was den Schutz angeht, besitzt der Zinal lediglich an der Zehenbox eine reduzierte Schutzgummierung, was ihn für hochtechnische und alpine Trails sicherlich nicht für den passenden Kandidaten macht.
Fazit
Highspeed-Wettkämpfe bis zum Marathon auf dem Trail sind komplett meine Sache mit dem Zinal, der für mich eine optimale Ergänzung zu meinen Straßen-Light-Racern wie dem Kinvara und Wave-Shadow darstellt. Klar braucht hier der ein- oder andere mehr Schutz, ich dagegen bevorzuge Direktheit und aufmerksames Laufen und gehe diesen Deal gerne ein. Insbesondere leichte, geübte, Vor- und Mittelfußläufer, die eine niedrige Sprengung gewohnt und im ambitionierten Wettkampfbereich unterwegs sind, werden mit dem Zinal ganz sicher ihren Spaß haben.