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Filmtipp: Das Gesetz der Serengeti – eine bahnbrechende Doku spannender als ein Thriller

Das bisherige Denken über die Gesetze der Natur basierte bzw. basiert bis heute auf dem Verständnis der sogenannten ökologischen Pyramide. Das heißt die Pflanzen bilden die Grundlage für alles, darüber stehen sie Primär-Fresser (Insekten, Nager, usw.), darüber die Sekundär-Fresser (Reptilien, Vögel, usw.) und ganz oben die Fleischfresser als Spitze der Nahrungskette. Das war so, bis der Ökologe Bop Paine auf der Bildfläche erschien und in den Sechziger Jahren das Konzept der Schlüsselarten auf den Tisch legte, welches die ganze Wissenschaft für einen Moment verstummen lies und das Denken über die Gesetzmäßigkeiten der Welt im Fundament veränderte. DAS GESETZ DER SERENGETI gehört zu den besten und wertvollsten Dokumentationen, die ich bisher gesehen habe und hat mich nachhaltig in meinem Denken beeinflusst. Nicht der packendste Thriller ist spannender als das! *Im Text findet ihr den Trailer und den kompletten Film als Youtube-Links!

Bob Paine

Bob Paine hinterfragte die ökologische Pyramide, weil sie sie ihm nicht logisch erschien. Der Fleischfresser an der Spitze musste eine wichtigere Rolle haben, als lediglich Fleisch einzusammeln. Was, so fragte er sich, wenn das System anders herum gedacht werden muss? Was, wenn alles von der dominanten Spezies abhängt, dem Jäger, und sich darauf alles andere bis hinunter zu den Pflanzen gründet. Eine gewagte These, die ihn nicht mehr losließ, aber schwierig zu untersuchen und vor allem zu beweisen war. So machte er sich auf die Suche nach einem Versuchslabor und an einer felsigen Küste fand er es schließlich. In den steinernen Becken, welche das Meer bei Flut überschwemmt und Wasser hinterlässt, wenn es sich wieder zurückzieht, fand er ein Mikroökosystem, bestehend aus ca. 20 Spezies mit nur einem dominanten Jäger, dem Seestern. Diesen entfernte er aus einem dieser Becken und warf ihn ins Meer zurück um zu sehen, was ohne den Jäger passierte. Jeden Tag ging er dorthin und entfernte die neu angeschwemmten Seesterne und innerhalb kürzester Zeit reduzierte sich die Artenvielfalt im Becken auf nur eine einzige verbleibende Spezies, eine Muschel. Alle anderen Spezies – Würmer, Schnecken, usw. – alles verschwand und aus einem vitalen Ökosystem wurde eine matschige, trübe Brühe ohne jegliches Leben. Er wiederholte den Versuch mit der Entfernung der anderen Spezies, einer nach der anderen, das aber beeinflusste das Leben der anderen Spezies nicht. Das System blieb in Takt. Der Seestern also, der Top-Jäger in diesem spezifischen System, war elementar für das Überleben aller anderen Spezies.

Trailer / Ganzer Film weiter unten!

Der Beweis

Zusammen mit anderen Pionieren der Tierartenforschung wie Mary E. Power, Jim Estes, Tony Sinclair und John Terborgh, machte er sich daran, die Rolle bestimmter Tierarten für den Erhalt komplexer Ökosysteme zu erforschen und der Begriff der „Keystone species“ (Schlüsselarten) erschien und blieb bis heute auf der Bühne der Wissenschaft. Und damit ist gemeint, dass manche Spezies wichtiger sind als andere und schon das Fehlen einer einzigen Tierart ein ganzes Ökosystem bzw. spezifische Artengemeinschaften vernichten kann. Das alles spielt sich in den Sechziger Jahren ab und die Wissenschaftler wiederholen den Versuch von Bob Paine in den entlegensten Gebiete der Erde. Das Resultat ist stets ähnlich. Das Fehlen bestimmter Spezies wie dem Wolf im Wald, dem Barsch im Gewässer oder der Raubkatze auf einer tropischen Insel führte jeweils zu einer zerstörerischen Kettenreaktion, an dessen Ende teilweise alle anderen Tiere außer einer verschwanden, und darüber hinaus teilweise die komplette Vegetation. Zurück blieb stets eine zerstörte, katastrophenähnliche Landschaft. Eine Schlüsselspezies, so fand man heraus, musste jedoch nicht zwangsläufig der Primärjäger sein. In der Serengeti, zu dieser Zeit von einem nie dagewesenen Arten- und Vegetationssterben betroffen, fand man heraus, dass das Gnu, zu hunderttausenden vom Menschen niedergejagt, entscheidend war, damit sich das System Serengeti erholen konnte.

Des Rätzels Lösung

Die Forscher betrachteten nun zerstörte und bedrohte Gebiete der Erde. Besonders eindrucksvoll wird das gezeigt am Beispiel einer Insel. Einst voll bunter Vegetation und unzähligen Tierarten, war dort nur noch eine Ameisenart übrig und sonst gar nichts. Keine Bäume, keine Pflanzen, nichts mehr. Und in genau solche Gebiete wurde nun mit den neuen Erkenntnissen eingegriffen, indem man Schlüsselspezies wieder ansiedelte, für dessen Verschwinden ausnahmslos der Mensch verantwortlich war. So wurde im Yellowstone Nationalpark der Wolf wieder angesiedelt mit erstaunlichem Resultat. Pflanzen und Tiere erschienen wieder, die teilweise als ausgestorben galten. Das Ökosystem erholte sich schneller, als man zuschauen konnte. Aus kahlen Bäumen und verdorrten Steppen wurde wieder eine blühende Landschaft, weil die Kettenreaktion der Vernichtung mit dem Wolf gestoppt wurde. Ohne den Jäger nämlich ändert sich das Verhalten der Sekundärfresser. Das Wild verhält und bewegt sich ohne Jäger anders, bestimmte Pflanzen und Bäume werden niedergefressen und verschwinden von der Bildfläche, was sich wiederum auf andere Spezies auswirkt. Der Wolf jedoch drängte das Wild zum ursprünglichen Verhalten zurück und das System an sich fing an, sich wieder zu bewegen. Ähnliches geschah in der Serengeti, wo man das Gnu unter Schutz stellte und sich fortan vermehren lies, und zwar entgegen jeglicher Kritik. Natürlich gab es die, denn Jäger wollen von Natur aus eines – Tiere abknallen. Sie vermehrten sich so schnell, dass sogar Nachbarstaaten es mit der Angst zu tun bekamen. Der Mensch eben in seiner stupiden Überzeugung, dass er allein die Dinge regeln könne! Doch man blieb an der Seite der Wissenschaft. Das Gnu vermehrte sich rasend schnell, doch irgendwann, ab einer Zahl von weit über einer Million, stoppte der Prozess der Vermehrung von selbst. Die Natur regulierte das selbst, ganz ohne uns, dazu bedurfte es keinerlei Eingriff. Und mit dieser natürlich festgelegten Zahl an Gnus erholte sich das gesamte Ökosystem Serengeti, und zwar vom Grashalm bis den Jägern, und zwar im Gesamten, nahhaltig und jenseits aller Vorstellungskraft.

https://youtu.be/jDR07MOungw
Kompletter Film

Hoffnung

Die Erkenntnisse der Wissenschaftler geben Grund zur Hoffnung für unsere von der Zerstörung bedrohten Welt. Unsere Natur kann sich erholen, wenn wir sie lassen. Der Mensch kann die Zerstörung, die er der Natur angetan hat, rückgängig machen.

Fazit

Nicolas Brown ist in seinem preisgekrönten Dokumentarfilm, der auf dem gleichnamigen Buch von Sean B. Carroll basiert, stets ganz nah dran an den Forschern und nutzt Interviews, Archivmaterial und Tierbeobachtungen gleichermaßen. Schon der Beginn ist wahrhaftig phänomenal. Bob Paine liegt auf dem Sterbebett und spricht wie gebannt und voller Magie von seiner Entdeckung, die ihn sein ganzes Leben lang nie mehr losließ und die er mitnimmt in den Tod. Die Kamera des Regisseurs zeigt phantastische Aufnahmen und dem Zuschauer werden komplexeste Zusammenhänge Stück für Stück klar, wie das Zusammenlegen eine Puzzles. Ich würde mir wünschen, dass das alles sehen, weil sich Diskussionen um die Daseinsberechtigung zum Beispiels des Wolfes in unserem Wald damit erübrigen würden.

Film anschauen bzw. das Buch lesen (Werbelinks)

Ma San

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