Mein Weg zum Marathon unter 03:05:00 – weiter, immer weiter!
*Anmerkung zu Beginn: Dieser Text enthält Werbung in Form von Textlinks.
Es ist zwei Jahre her, als ich beim Frankfurt Marathon irgendwo bei K25 herum beschloss, zu gehen. Wenn man das macht mit der Vorstellung, sich kurz zu erholen um dann mit Kraft weiterzulaufen, dann gelingt das in den seltensten Fällen. Der Körper lässt los, schreit vor Glück, denn endlich ist sie vorbei, die ungeheure Belastung. Und so wundert es auch nicht, dass der Rest des Weges einer Art STOP AND GO glich und ich bei K40 völlig frustriert die Stopptaste meiner Uhr drückte. Die SUB 3 wollte ich angreifen und herausgekommen ist – GAR NICHTS! Völlig am Boden saß ich dann an dieser Betonwand, als mich ein Läufer fragte, ob alles mit mir in Ordnung sei, ich Hilfe bräuchte. Ich verneinte. Wie ich durchgekommen sei, fragte er dann. „Gar nicht!“, antwortete ich. „Trotzdem schön, dass du dabei warst“, gab er mir noch mit und verschwand mit einem Lächeln. Wie ich neulich schon sagte: die Läufercommunity ist einfach eine tolle Gemeinschaft. Man fiebert mit, leidet mit anderen und in der Regel gönnt man anderen Erreichtes und drückt die Daumen. Dass ich diesen Marathon nicht durchzog, hatte verschiedene Gründe. 2024 nun lief ich mit einer 03:03:50 und damit einer PB über den roten Teppich mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Was ist seit dem Frankfurt Marathon 2022 bis heute passiert und warum lief es nun viel besser? Darum geht es in diesem Text!
WENN DU DA STEHST, DANN WISSE WARUM!
Als ich am 27. Oktober 2024 an der Startlinie des Frankfurt Marathons stand, da wusste ich eines ganz genau: nämlich warum ich genau an diesem Tag an einem Sonntagmorgen, jetzt und hier, war, wo ich war. In einer Marathon-Endvorbereitung kommt es, jedenfalls ist das bei mir so, zu vielen Auf- und Abs. Indikatoren für die Zielzeit sind im Wesentlichen die langen 35K-Läufer mit sukzessiv steigender Endbeschleunigung. Und wenn von denen mal einer nicht gut läuft, dann geht es rund im Kopf und Zweifel schleichen sich ein. Wenn du an der Startlinie stehst, dann dürfen diese Zweifel nicht federführend sein. Du musst in diesem Moment das Positive sehen, nicht das Negative. Ich habe für diesen Marathon acht Wochen lang Woche für Woche 100K runtergerissen, bin meine Longruns stets Freitagabend in die anbrechende Nacht hineingelaufen, während sich die Welt um mich herum schlafen legte oder feierte. Habe Intervalle geschrubbt bei Regen und lange Tempoläufe bei starkem Wind. Mein Konto war voll, voll mit Power. Ich stand da mit durch Longruns geweiteten Muskelglykogen-Depots, voll aufgetankt durch Tapering und Carbloading. Ich stand da voll bewaffnet und würde niemals, NO MATTER THE FUCK WHAT, diesen Lauf ohne Medaille beenden, NIEMALS! Wenn du also an der Startlinie eines Marathons stehst, sei eine Kriegerin, sei ein Krieger. Habe keine Angst vor der Härte, die kommen wird, sehne sie herbei mit den inneren Worten: „Na komm schon!“ WENN DU DA STEHST, DANN WISSE WARUM! Vor zwei Jahren hatte ich diese Einstellung nicht. Ich stand da mit großen Zielen und zittrigen Knien, mit flauem Magen und viel Angst. Dieses Mal nicht.
Kenne deine Grenzen
Zwei Jahre zuvor nahmen mir die letzten Longruns den Mut für mein zu diesem Zeitpunkt selbst gestecktes Ziel SUB 3. Warum? Weil ich die Endbeschleunigung nicht in einer 4:15er laufen konnte! Und obwohl die Indikatoren anders besagten, legte ich meine Rennstrategie auf genau dieses Ziel aus. Ich pokerte also hoch, und fiel tief. Sprich: ich wählte eine zu hohe Pace zunächst bis K15 und beschleunigte nach Lehrbuch von K15 bis K25 abermals. Das waren nur ein paar Sekunden, aber entscheidende zu viel. Wenn sich der Lauf zu hart anfühlt, zu schnell bei einer offensiven Rennstrategie, dann verunsichert das in genau dem Moment, wo der Körper signalisiert: „Das wird hart jetzt!“ Wenn das passiert in der frühen Phase bis 25K, dann bist du am Arsch! Und das passierte mir vor zwei Jahren. Den Marathon davor, im Spreewald war das, lief ich in 3:07 und dachte es wäre soweit für eine Attacke nach vorne. Durchaus berechtigt, sicherlich, und andere machen das auch genauso. Dennoch ist der Sprung von 3:07 auf 2:59 alles andere als klein, er ist riesig, und entsprechend hoch ist die Wette, der Einsatz. Das ist ein Unterschied von 15 Sekunden hinsichtlich Zielpace, ein Haufen Holz!
Dieses Mal stapelte ich tiefer. „HELL YES“, ich konnte diese fucking EB bei den Longruns wieder mal nicht auf SUB 3 Niveau laufen. Was hieß das? Nichts! Ich konnte das dennoch schaffen, nur eines wusste ich jetzt besser: ICH DURFTE ES NICHT ERWARTEN! Also legte ich für mich eine konservative Rennstrategie fest. Ich würde langsamer reingehen, konservativer beschleunigen und mich dann irgendwo einpendeln. Und zwar genau da, wo mein Körper das festlegen würde. Ich ging nicht rein mit der Idee einer Zielpace oder Zeilzeit, ich ging NICHT ALL IN. Sondern es würde sich eben einfach zeigen. Und im Prinzip ist das die gesündere Herangehensweise. Also jene, sukzessiv nach vorne zu gehen und sich dem Ziel sachte anzunähern. Auf diese Weise ist die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges höher, die Fallhöhe niedriger und ein hartes Training wird eher belohnt. Belohnung braucht es, denn nur so bleibt man dabei, bleibt dran und hat die Motivation dafür. Ja, ab und zu muss man etwas riskieren, das stimmt, UNBEDINGT! Im besten Fall aber hat man schon etwas auf dem Konto, wenn man das macht. Zum Beispiel in Form eines konservativen gelaufenen Frühjahrsmarathon mit anschließendem ALL IN im Herbst. Denn eines kann ich dir aus Erfahrung sagen: nichts tut als Läufer mehr weh als ein achtwöchiges, auf so viel Entbehrung gegründetes Training, das ins Nichts verläufst, weil du nicht finishst! und noch eines habe ich gelernt bei bei meinem DNF in Frankfurt. Wenn es wirklich mal scheiße läuft, dann geh einfach raus nach der Hälfte oder früher. Geh nach Hause und melde dich für einen Alternativmarathon an ein paar Wochen später. So verlierst du dein Training nicht. Wenn du dich wie ich bis K40 durchquälst mit falschen Ehrgeiz, dann musst du dich vier Wochen erholen, das Training ist weg, ein Alternativmarathon mit PB-Ambition nicht möglich.
Komplett zerstört nach dem Deutsche Weinstraße Marathon.
Justiere dein Ziel
Mein Marathon im Spreewald mit einer 3:07 in Kombi mit meinem DNF in Frankfurt 2022 sowie ein weiterer Marathon (Deutsche Weinstraße Marathon) in einer 3:26 (allerdings mit ein Haufen Höhenmetern) bildeten ein paar Parameter, mit denen ich etwas anfangen konnte für die Planung des nächsten Marathons. Für alle drei Marathons habe ich nach GREIF trainiert, dennoch war dieser Marathon etwas völlig anderes in mehrfacher Hinsicht:
- Im Gegensatz zum Spreewald oder zum Deutschen Weinstraße Marathon war dieser Marathon ausschließlich auf Asphalt auf einer flachen Strecke. Das kommt einem Läufer wie mir mit hoher Grundschnelligkeit und Schwächen bei Kraft und Ausdauer entgegen.
- Es gab hier ausschließlich die Marathondistanz, keine Kurzdistanzen. Es gab hier nur Marathonläufer*Innen, dadurch eine gute Gruppenbildung und eine ganze Stadt als Support an der Strecke.
- Ich würde entgegen der letzten Marathontrainings die Umfänge weiter nach oben drehen zwischen 90 und 100K die Woche, außerdem würde ich konsequent 6x die Woche trainieren.
- Ich hatte ein Mehr an Erfahrung hinsichtlich Ernährung in der letzten Trainingswoche und während dem Rennen.
- Ich würde dieses Mal keine Experimente bei den Schuhen machen.
All das waren Indikatoren für mich für eine PB. Gleiches Training mit den Prinzipien: höhere Umfänge, gleiche Zielpace, bessere Ernährung und erprobtes, eingelaufenes Carbon unter den Füßen. Die SUB 3 aber, an der zweifelte ich, und zwar weil ich wie gesagt bei den Longruns die EB’S in einer 4:15er Pace nicht schaffte. Zwar wählte ich dafür die simpelsten, schlichtesten Schuhe, aber trotzdem: du spürst, wenn etwas TOO MUCH ist. Also schaute ich, welche Pace ich bei den EB’s gehen konnte und rechnete dort den Faktor Schuhe, Tapering und Ernährung ein und sagte mir dann: eine 4:20er Pace, das schaffst du, ohne dass es dich wegballert und im besten Fall ohne dass es dir schlecht wird. Du gehst über einer 4:20er rein und pendelst dich dann ein und fährst das Ding zwei Drittel nach Hause. Und dann, erst dann, legst du Holz drauf wenn dein Körper dir sagt: „Mach es!“ Und machst es nicht wenn er dir sagt: „Mach’s nicht!“. Und so ging ich es an.
Festlegung des Pensums
Das erste Mal nach Peter Geif trainierte ich 2018 für den Athen Marathon, was mich allerdings aufgrund des hohen Pensums in Kombi mit einem katastrophalen Laufstil in die Verletzung trieb. Ich kehrte Greif den Rücken und wendete mich harmloseren, komfortableren Trainingsplänen zu. So lief ich den Athen Marathon 2019 und trainierte u.a. für den Hamburg Marathon 2021, bei dem ich auf eine 03:12:12 vorstieß. Als ich bei meinem ersten Angriff in Richtung Sub 3 Marathon in Frankfurt 2022 nicht finishte, weil dieses große Ziel mit diesem Training nicht erreichbar schien, fand ich zurück zu Greif für die Vorbereitung auf den Spreewaldmarathon 2023, den ich mit 2:07 in den Top 10 finishte. Im Prinzip war dies der erste Marathon, den ich unter Anleitung von Peter Greif gelaufen bin, und es war mein bei weitem bester EVER. Für den Deutsche Weinstraße Marathon legte ich eine Schippe drauf und trainierte abermals nach Greif, aber in der Pensum-mäßig höheren Gruppe. Ich lief zwar nur eine 3:26, der Lauf hatte allerdings 500 Höhenmeter und mein 42. Platz deutet darauf hin, dass das schon eine passable Leistung war und das Training entsprechend griff. Für Frankfurt 2024 nun trainierte ich ich in meinem bisher höchsten Pensum zwischen 90 und 100K die Woche. Mit meiner Zeit von 3:03:50 steigerte ich mich im Vergleich zur vorherigen PB um über 3 Minuten, was für mich eindeutig unterstreicht, dass mehr und konsequenteres Training tatsächlich zu einem besseren Ergebnis führt. Vorausgesetzt man wählt das Ziel richtig, hört auf den eigenen Körper und macht wirklich genau das, was Greif von einem verlangt. Wie sah es nun aus, mein Training?
Wochenplanung
Ich sortierte mich in Gruppe 5 ein und verzichtete dort auf die vorgesehen zweite Pause, sprich: ich war in Gruppe 5 ganz oben angesiedelt bzw. kratzte bereits an Gruppe 6. Das hieß für mich: ein Tag Pause in der Woche, sechs Mal laufen. Anbei meine Wochenaufteilung:
- Sonntag: Tempoeinheit oder Longrun in MRT
- Montag: Langsamer Dauerlauf
- Dienstag: Intervalle, bis der Arzt kommt
- Mittwoch: Pause
- Donnerstag Montag: Langsamer Dauerlauf
- Freitag: Longrun 35K mit steigender Endbeschleunigung
- Samstag: Langsamer Dauerlauf
Ich setzte meinen Longrun auf Freitag, weil er dann ein Familienleben wie meines am wenigsten belastet. Sprich: ich startete nach dem ins Bett bringen der Kids am Abend in den Longrun, den ich meistens erst nach 24 Uhr beendete. Somit war das Wochenende halbwegs frei mit Quality Time für die Familie. Die anderen zwei Schlüssel-Einheiten lief ich meistens jahreszeitbedingt auch im Dunkeln, wie im Prinzip nahezu alle Läufe unter der Woche. So etwas zu machen verlangt viel ab. Es bedeutet sich immer wieder aufzuraffen am Abend, wenn der Körper eigentlich zur Ruhe kommen will. Es verlangt ein hohes Maß an Disziplin und den Wunsch, etwas unbedingt zu wollen. Auch dann ist man nie von Zweifeln verschont, die einen immer wieder einholen. Wenn dir Freitagnacht um 24 Uhr in der Endbeschleunigung nach 25K die ganze Physis um die Ohren fliegt auf einer dunklen Straße am Stadtrand, verdammt, dann musst du einfach wissen, warum du das machst, sonst bist du erledigt. Aber das ist mein Leben als Sportler, es steht immer hinter der Familie. Das ist der Preis, den ich zu zahlen bereit bin.
Der Preis ist eine permanente Ermüdung in den acht Wochen Wettkampfvorbereitung. Im Prinzip geht man in jeden einzelnen Lauf mit einer Ermüdung, weil immer eine Einheit am Tag davor auf dem Plan stand. Das hat durchaus System, da es insbesondere vor den Long Runs auf das Ziel einstellt und zur Vorsicht mahnt. Man geht eher verhalten in diese Läufe mit zunehmender Angst vor den EB’s, die da kommen. Und wenn man dann voll aufdreht am Ende und wirklich dran kommt an die Zielpace, dann hat das schon was zu sagen. Aber auch was die Tempoeinheiten angeht, ist absolute Schmerzgrenze angesagt.
Der Long Run sitzt im Prinzip noch voll in den Knochen und am liebsten würde man gar nichts machen, und dann das! Es geht hier wirklich darum, alles reinzulegen und den Körper hart zu machen, Halbgas geht nicht, volle Kanne! Gleiches gilt für die Intervalle. Wenn diese die Treppengröße 4.000, 5.000 und 6.000 Meter erreicht haben in anaerober Pace weit über Schwelle, dann ist das wirklich schmerzhaft und gleicht manchmal reinem Horror. Wenn man das wie ich im Herbst nach Feierabend auf dunklen Straßen durchzieht, dann hat das schon den Hauch der Apokalypse. Doch eines kann ich dir sagen. Wenn du die drei Schlüsseleinheiten bewältigt hast, Long/Tempo/Intervalle und dann nach Hause kommst, dann gehst du mit einem Lächeln ins Bett, garantiert.
Mehr Pensum = bessere Leistung!
Mein Pensum sah folgendermaßen aus:
- Woche 1: 101K
- Woche 2: 94K
- Woche 3:100K
- Woche 4: 89K
- Woche 5: 51K (Erholungswoche mit Halbmarathonwettkampf)
- Woche 6: 99K
- Woche 7: 79K
- Woche 8: 73K
Mit diesem Training hier kamen 686K zusammen und damit mehr als bei meiner Vorbereitung für den Spreewaldmarathon als Beispiel, bei dem ich auf knappe 620K kam. Das sind 10 Prozent mehr Pensum und ich denke, das hat schon Aussagekraft. Mit Pensum ist das ja so eine Sache. Bei dem einen Läufer ist es wesentlich, bei dem anderen weniger. Ich kenne viele, viele Läufer, die mit überhaupt keinem nennenswerten Marathontraining auf Anhieb Hammer-Zeiten unter 3 Stunden liefen. Wie ich jedoch ebenfalls schon oft schrieb sind das Ausnahmeerscheinungen und die Tatsache, dass ich das jetzt schon oft erfuhr, ist der Tatsache geschuldet, dass ich halt ein Haufen Läufer kenne. Will heißen: es gibt einen Zusammenhang zwischen Pensum und Leistung beim Marathon. Je mehr Pensum. desto besser die Zeit.
ABER, man muss schon genau abschätzen, wie viel Pensum man kann. Dieses Pensum von knappen 690K in acht Wochen war wirklich mein derzeitiges Maximum. Es zog wirklich alles aus mir raus und es hätte wirklich nicht mehr sein dürfen. Übertreibt man das, zerlegt es einen in Einzelteile. Die Tatsache aber, dass ich mehr trainiert habe als z.B. für den Spreewald, zeigt, dass man sich an ein höheres Pensum adaptieren kann und mit der Zeit mehr Härte verträgt als vorher. Um bei Greif zu bleiben bedeuten diese Zahlen, dass ich letztlich von vier möglichen Gruppen in Gruppe 2 ganz oben angesiedelt war. Es gibt also zwei höhere Gruppen, was mal veranschaulicht, was bessere Läufer als ich noch on top machen, was ich mir gar nicht vorstellen kann. Und wenn ich mir auf STRAVA die Typen in meinem Bekanntenkreis anschaue, dann laufen die ganz easy 120 bis 150K in der Marathonvorbereitung und reisen das Ding dann unter 2:50 ab. Merke dir also: Mehr Pensum = bessere Leistung!
Mein Training & Schlüsseleinheiten
Um die Rennstrategie festzulegen ist es nun notwendig, die Schlüsseleinheiten richtig zu deuten, diese wären: LONG RUN / TEMPOEINHEITEN / HALBMARATHON / INTERVALLE. Wobei der Endbeschleunigung bei den Long Runs der absolute Fokus zukommt. Was das Pensum angeht kann man ein Mehr-Pensum im Vergleich zu einem vorangegangenen Marathon mit weniger Pensum einpreisen. Sprich: sind meine Resultate auf die Schlüsseldistanzen ggf. gleich, aber das Pensum höher, kann ich offensiver herangehen an den Lauf. Übrigens: Für diesen Marathon habe ich keine Zeit festgelegt, auch habe ich niemandem von irgendwelchen Zeitambitionen erzählt. Alles, was Druck erzeugt, ist schlecht und kann fatal sein in dem Moment, wo es nicht läuft. Schauen wir uns jetzt meine Schlüsseleinheiten an:
Long Runs
- 35K mit 3K Endbeschleunigung in 4:09 (Bester) bis 4:09 (Schlechtester)
- 35K mit 6K Endbeschleunigung in 4:16 (Bester) bis 4:22 (Schlechtester)
- 35K mit 9K Endbeschleunigung in 4:20 (Bester) bis 4:34 (Schlechtester)
- 35K mit 12K Endbeschleunigung in 4:19 (Bester) bis 4:30 (Schlechtester)
- 35K mit 15K Endbeschleunigung in 4:17 (Bester) bis 4:31 (Schlechtester)
Man sieht hier sehr deutlich meine Schwäche bei den Endbeschleunigungen. Eine 4:15er Pace zu halten fällt mir oder fiel mir, wie man dort sieht, sehr schwer. Man muss natürlich bedenken, dass man zum Zeitpunkt des Long Runs eine ganze Woche im Kasten hat und müde und angeschlagen in diese Läufe reingeht. Dennoch fällt mir auf, dass viele andere Läufer keine Probleme mit der Endbeschleunigung haben und diese locker durchziehen. Bei mir ist das eben anders und der Umgang mit dieser Erkenntnis ist entscheidend. Es geht nicht darum, stur Ziele zu verfolgen, sondern wirklich ehrlich und realistisch einzuschätzen, was möglich ist. Und noch etwas: wenn es nicht so läuft wie bei mir in den letzten drei Long Runs, dann mach dir keine Platte. Laufen ist nun mal brutal ehrlich und wenn du etwas nicht schaffst, ist das dienlich. Schwächen werden deutlich und nur so kannst du diese angehen. Schraube lieber deine Ziele etwas herab und erreiche diese statt nicht erreichbare Ziele NICHT zu erreichen. Das Leben ist nicht kurz, die bekommst deine Chancen, und du wirst besser, von Mal zu Mal. Niemand besteigt im ersten Zug den Everest, man fängt im Pfälzer Wald an.
Tempoläufe
- 15K in 3:56 Pace ( 59:06) in Woche 7
- 10K in 4:45er Pace in Woche 5
- 6K in 3:53er Pace in Woche 2
- 10K in 4:04er Pace in Woche 1
Die Grundschnelligkeit ist meine Stärke. Eine Pace um die 4:00 auf 10 bis 15K bereitet mir keine Probleme. Man muss bedenken, dass man durch den Long Run 2 Tage vorher gut am Arsch ist auch schon vor dem Lauf. Die Tempoeinheiten werden im Übrigen deutlich schneller gelaufen als Marathon-Pace.
Halbmarathon
- 1:24:50 / 4:01er Pace (140 Höhenmeter)
Greif sieht exakt einen Wettkampf in der Vorbereitung vor, und das ist der Halbmarathon. Macht man den im besten Fall in Woche vier, machte ich diesen in Woche 5, weil in meiner Stadt mit dem Landauer Halbmarathon ein MUST-DO stattfand. Wenn man bedenkt, dass ich krankheitsbedingt angeschlagen in den Lauf ging (den ich erst absagen wollte) und trotz der Höhenmeter 14ter im Gesamtranking wurde (Platz 1 in der AK), dann war das ein super Lauf, der schon auf einen Marathon um die 3 Stunden hinweist. In der Theorie! Eine Zeit um die 1:24 herum muss man einfach schaffen, um auf die 42K bei knapp 3 Stunden zu landen, besser schneller! Der bekannte Hochrechnungsfaktur 2,1 besagt zwar besseres, aber ich bezweifle das. Was ich in STRAVA beobachte, sieht anders aus. Jene Läufer, die einen Marathon im Bereich um die 2:55 laufen, sind auf den HM deutlich schneller, oft sogar unter 1:20 unterwegs. Mir sagte meine Zeit auf den HM, dass eine konservative Taktik für den Marathon angesagt war.
Läufe in Mara-Pace
- 16K in 4:19er Pace in Woche 7
- 16K in 4:13er Pace in Woche 4
- 15K in 4:17er Pace in Woche 3
- 16K in 4:18er Pace in Woche 1
Man sieht hier gut, dass mir die Mara-Pace auf Kurzdistanzen keinerlei Probleme bereitet. Die Läufe kamen mir wirklich easy vor. Viel entscheidender aber sind die Long Runs, weshalb ich mir deshalb nichts einbilden sollte.
Intervalle
- 4×1.000 in 4:14er MRT in Woche 8
- 3×2.000 in 4:15er MRT in Woche 8
- 6.000/5.000/4.000 Treppe in 3:58er bis 4:06er Pace in Woche 6
- 3×2.000 in 4:30er Pace in Woche 5
- 5.000/4.000/3.000 Treppe in 3:50er Pace in Woche 4
- 3.000/4.000/5.000 Treppe in 3:55er Pace in Woche 3
- 2.000/3.000/4.000 Treppe in 3:55er Pace in Woche 2
- 1.000/2.000/3.000 Treppe in 3:50er Pace in Woche 1
Diese werden brutal, wenn diese in Treppenform gen 6K je Intervalle gehen, wie es Greif abverlangt. Greif legt den Intervall-Speed nach Zielzeit fest und bei mir steht dann im Schnitt eine 3:50er auf dem Programm. Knallharte Einheiten sind das, die, übersteht man sie denn, unfassbare mentale Stärke verleihen.
Interessant sind die gelaufenen Kilometer in MRT, also Marathonpace. Nimmt man Intervalle, Tempoeinheiten und die EB’s bei den Longruns in MRT zusammen, dann kommen satte 128K zusammen. Gemessen an 686K Gesamttraining sind das 20 Prozent. Die Tempoeinheiten Halbmarathon und Intervalle machen zusammen 131K aus, folglich gehen diese 20 Prozent auf das Konto Tempo, die anderen 60 Prozent waren langsam gelaufen. So gestaltete sich also mein Training mit dem Ergebnis, dass ich konservativ das Rennen angehen sollte, nicht zu viel erwarten durfte und eine SUB3 wahrscheinlich nicht klappen würde (wegen den zu schwachen EB’s bei den Long Runs). Das jedenfalls war mein Bild von der Sache und lieber wolle ich bei einer 3:05 landen statt bei einer 3:25 bei einer zu gewagten Taktik auf einen SUB 3 Angriff.
Frankfurt
Die Wahls des WANN und WO eines Marathons ist wirklich ein nicht zu unterschätzendes Kriterium und du solltest dir das sehr, sehr gut überlegen.
- Prio. 1 bei mir war, dass das Training nicht auf in den Urlaub fallen durfte. Familienurlaub und Intensiv-Training, das passt nicht und ich rate dir davon ab! Da fallen gleich ein paar Termine weg.
- Prio 2: Die Strecke musste flach sein.
- Prio 3: Es durfte nicht allzu weit weg sein. Reisen bedeutet Stress, Stress kostet Körner!
- Prio 4: Es musste ein interessanter Lauf sein und ein reiner Marathon. Eine gute Stimmung kann etwas ganz wichtiges sein, sie beflügelt ungemein und gibt dem Lauf und der Arbeit dahinter auch die gerechtfertigte Wertschätzung. Mit reinem Marathon meine ich, dass parallel keine Kurzdistanzen laufen. Solche nerven oft rein von der Startaufstellung her und es ist auch schwieriger, Gruppen zu finden.
Frankfurt war deshalb meine Wahl und was diesen Lauf anging war alles super, außer eines, die Anreise. Obwohl Frankfurt nicht zu weit weg von mir liegt, dauerte die Fahrt dorthin am Tag zuvor ewig. Ich kam zu spät an, verfuhr mich in der Stadt und war erst eine Stunde vor Schließen der Messe an der Starnummernausgabe. Zeit für die Messe hatte ich nicht und saß dann auch etwas kraftlos bei der Pasta-Party bei meinen Veggie-Spaghetti. Danach musste ich noch zum Hotel und auch das dauerte ewig. Nach 21 Uhr suchte ich noch einen Supermarkt und kaufte mir noch die obligatorischen Snacks. Das war alles andere als optimal und in der Folge ging ich gestresst, ausgelaugt, müde zu spät ins Bett. Insofern mein Rat an dich: plane eine entspannte Anreise. Wenn der Lauf weiter weg ist, sei lieber zwei Tage vorher da oder schon früh am Tag davor. Laufe auf keinen Fall zu viel rum, auch nicht auf der Messe, und hau dich früh in die Federn.
Ernährung vor dem Lauf
Was das angeht, richtete ich mich exakt nach meinem Lehrmeister. Ich hole hier mal etwas länger aus. Während des Trainings schon probierte ich eine neue Fuhre Gels aus und Aminosäuren, die ich während der Long Runs testete um unter Realbelastung zu schauen, wie ich das vertrage. Nach den Tempoeinheiten zog ich mir nach Lehrbuch Eiweißpulver rein. Drei Tage vor dem Rennen startete ich das Carboloading und ergänzte dieses mit einer Unmenge von Nahrungsergänzungsmittels, die darauf ausgerichtet sind, die Kohlenhydtratdepots zu maximieren – L-Carnitin, Omega 3, Vitamin B und E, Apfelssigextrakt, Q10, Ultrabuffer, Guaranapulver. Es kommt dabei nicht nur auf das Was an, sondern auch auf das Wann. Von der Essenswahl kommt es darauf an, alles Belastende zu vermeiden und das Wort gesund zu vergessen. Auch eine gute Hydrierung ist immens wichtig und auch die gilt es im Auge zu behalten die letzten Tage vor dem Rennen. Am Morgen ging ich drei Stunden vorher frühstücken. Kaffee, Brötchen, Marmelade und dazu 3 Mal 0,5 Liter Spezialgetränk a la Greif. Dieses Getränk jagte ich mir je eine Stunde versetzt rein, die letzte Fuhre exakt 15 Minuten vor dem Start. Dafür besorgte ich mir extra eine 0.5l Flasche am Vortag. Es geht dabei darum, wirklich perfekt hydriert am Start zu stehen und in der Folge wenig trinken zu müssen während dem Rennen.
Schuhe
Carbon, ja oder nein? Schwierige Frage! Meinen Spreewaldmarathon lief ich ohne Carbon in 3:07:14. Den Frankfurt Marathon nun in einer 03:03:50, und diesen mit den Vaporfly 3 von Nike (Werbelink) in der ultimativen Laufwaffe neben dem Alphafly. Nun, das sind 3 Minuten und 24 Minuten Unterschied. Ist dieser nun auf Carbon zurückzuführen? Hey, ich weiß es nicht. Man kann beide Marathons nicht vergleichen. In Frankfurt lief ich ausschließlich auf Asphalt, im Spreewald auch über Feld und Schotter, sogar Brücken. Für Frankfurt habe ich auch mehr trainiert und mich besser ernährt. Von daher habe ich intuitiv den Eindruck, dass Carbon kein wesentlicher Benefit war. Wie ich in meinem Artikel ÜBER SINN UND UNSINN VON CARBONLAUFSCHUHEN ausführlich beschrieben habe, wird sich das Carbon aus meiner Sicht vor allem bei einer wesentlich schnelleren Pace wie der von mir gelaufenen bemerkbar machen. Ich denke, dass eine ca. 4:15 Pace einfach zu langsam ist, dass man hier was merkt, und sich die Stärken des Carbon bei mir dann ab Halbmarathon-Pace unter einer 4:00er bemerkbar machen und dass erheblich bei 10K und darunter, wo die Pace gen 3:40 geht. Ich bleibe bei meiner Meinung, dass Carbon in erster Linie eine Gelddruckmaschine sind, weil kein Hobbyläufer davon profitiert und die Dinger nur 200K halten. Aber am Ende trug ich die Dinger aber doch selbst und werde das auch weiterhin machen, weil wenn ich ich so am Start stehe einfach ein Gefühl der Chancengleichheit habe, weil jeder sie trägt. Im Spreewald kam der Typ vor mir (ich war 10ter) übrigens weit vor mir in Vibram Five Fingers ins Ziel, und zwar ganz locker. Also von demher mein Typ an euch: macht euch bloß nicht verrückt wegen dem Carbon-Tam-Tam, dieses bringt für uns Hobbyläufer*Innen auf keinen Fall 10 Sekunden auf den Kilometer, noch nicht mal 5, NIEMALS!!! An einem guten Tag kann aber folgendes passieren. Die Carbonplatte führt ggf. zu weniger Belastung, der Puls geht ggf. geringfügig runter, was eine etwas schnellerer Pace möglich macht. Ggf. hat das dann Einfluss auf den Magen, der ein Mü weniger belastet wird und all das trägt dazu bei, dass das Gesamtsystem aus dieser Sammlung von Einzelteilen super zusammenhält und etwas richtig Gutes herauskommt am Ende. Das kann ich mir jedenfalls sehr gut vorstellen.
Das Rennen
Am Start stand ich mit einem Singlet und Armlingen (Werbelink). Armlinge sind eine super Sache, finde ich. Warum? Zu warm ist ein Killer! Die Armlinge geben Wärme, wenn man vor dem Start statisch rumsteht. Wird es beim Laufen zu warm darin, kann man sich durch Übergießen von Wasser damit kühlen oder man zieht sie einfach aus und steckt sie in die Tasche. Aus diesem Grund hatte ich auch einen Schwamm dabei, der bei einem guten Marathon-Organisator (wie hier) mit im Beutel steckt. Wie Peter Greif in seinem Countdown schildert, ist Kühlung essentiell bei einem Marathon und sogar wichtiger als Trinken. Diesen Schwamm tauchte ich bei jeder VP in einen dafür vorgesehenen Bottich und kühlte mir den Kopf und die Armlinge. Ansonsten hatte ich zwei Gels einstecken, Basic Formular von Squeezy (Werbelink). Das sind jene, die ich am besten vertrage, da sie (entgegen wie z.B. Maurten) keine Fructose enthalten. Viele vertragen das nämlich nicht! Ernährung ist bei mir ein riesen Thema und meine große Schwäche. Ich habe nämlich den Nachteil, dass ich mir (entgegen anderer Läufer+Innen) keine bis sehr wenig Nahrung beim Laufen zuführen kann, mir wird schlecht dabei. Entgegen dem Spreewaldmarathon, wo ich gar nichts gegessen habe und nur alle 5K eine Aminosäurekapsel geschluckt habe, nahm ich mir vor, auf die ersten 15K, wo es mir im Normalfall noch magentechnisch gut geht, zumindest zwei Gels rein zu jagen. Wie ich in meinem Artikel Ernährung beim Marathon ausführlich geschildert habe bin ich der Ansicht, dass das auch vollkommen ausreicht für einen Marathon um die drei Stunden. Das ist keine Intuition dabei, sondern man kann das schlicht ausrechnen, wie ich das in dem genannten Artikel auch mache, und jeder kann das für sich ebenso machen.
Was ich noch dabei hatte waren genau 8 Amino-Kapseln von Squeezy (Werbelink), die ich alle 5K jeweils eine zu schlucken gedachte. Greif schwört nicht nur auf die Kapseln, er sieht diese für schnelle Läufer um die 3 Stunden sogar als ausschließliche Nahrungsaufnahme. Keine Gels, nix! Aminosäuren haben die Eigenschaft, fast unmittelbar im Körper zu wirken und die Regeneration anlaufen zu lassen. Nun denn, zwei Gels hatte ich trotzdem dabei, weil ich für mich persönlich der Ansicht bin, dass mein Fettsstoffwechsel nicht der allerbeste ist und ich Kohlenhydrate brauche, und rechnerisch kommen ungefähr zwei Geld dabei raus. Nicht viel, aber genug, um nicht deshalb gen Ende des Marathons einzubrechen. Trinken wollte ich an diesem kalten Herbsttag nur nach Gefühl und nur sehr wenig jeweils ein Schlückchen an den VP*s zu den Aminos. Denn hydriert war ich schon die Tage zuvor gut genug und drei Stunden vor dem Lauf habe ich mir gezielt 3 Mal je 0,5 Liter Spezialgetränk a la Greif reingezogen. Und so ging es los.
Eingeordnet war ich in Startblock zwei, alles Leute wie ich mit Ziel knapp über drei Stunden. Ich unterhielt mich dann noch kurz mit einem Läufer neben mir. Was meine Zielzeit sei, fragte er. „Ach, ich weiß es nicht so genau“, erwiderte ich. Und das stimmte. Startschuss und los, endlich auf der Strecke, der echten Strecke. Anders als bei meinem DNF zuvor hier nahm ich mir vor, den Lauf weitestgehend zu genießen und bewusster zu laufen, die Menschen und die Stadt wahrzunehmen − es galt irgendwie auch Frieden zu schließen mit Frankfurt – und das tat ich. Ich sah und hörte genau hin. Überall waren Menschen an der Strecke vor steil hinaufragenden Hochhäusern dieser Skyline. An jeder Ecke standen DJ’s und Bands, eine einzige gigantische Laufparty. Rein läuferisch war ich direkt unter meinesgleichen, kein Geschachere wie im großen Berlin, wo man Leute direkt massiv einkassiert oder andere einen im Vollsprint überholen. Sprich: es dauert, bis sich das Feld formiert hat. Ich denke, Frankfurt ist wie gesagt ein Marathon, bei dem sich Startende fokussieren wollen und sich einzuordnen wissen ohne falsche Ambitionen, und das macht es jemandem wie mir möglich, sich komplett zu fokussieren und keine Fehler zu machen. Bis K 13 war die Hölle los an der Strecke und bis darin galt es, der Stimmung wegen bloß weiter verhalten zu laufen. Auch das ist leichter bei einem gut formierten Feld. Kommt es hier nämlich gleich zu massivem überholen, kann das zu einer trügerischen anfänglichen Euphorie führen, die sich – IMMER – rächt. Und zwar so rächt, das gibt’s gar nicht! Dann ging es über die alte Brücke aus der Innenstadt raus auf die andere Mainseite und dann ist auf einmal nix mehr los an der Strecke vorerst. Eine entscheidende Phase beginnt jetzt. Wer hat sich bereits verballert, wer nicht? Das ist gut für einen Läufer wie mich, den das verleitet zu nichts und man kann sich ganz und gar fokussieren. Nach einer Pace von ca. 4:18 auf den Kilometer ging ich ab K15 knapp unter die 4:15. Ein Marathon nach Greif wird nicht, wie es allgemein oft wahrgenommen wird, gleichmäßig gelaufen. Er besteht aus 4 Phasen: LANGSAM / SCHNELL / ZIELPACE / ALL IN (optional). Zu weit unter die 4:15 wollte ich nicht, sondern nur soweit, wie ich das gut verkraftete. Ich hatte eine Gruppe gefunden im recht dünnen Feld da vorne und ich nahm war, dass wir alle das gleiche Ziel hatten, aber unterschiedliche Taktiken. Die Läuferin vor mir nahm die Gelegenheit wahr, mit einem kleinen Gefolge loszuziehen. Ich blieb nicht dran, sondern genau bei meinem Tempo. Entweder sie ist schneller als du, oder du siehst sie nachher wieder, wie auch immer. Du weißt was du kannst und diese Läuferin hier kann machen, was sie will. Das machte ich bis über die HM-Distanz hinweg bis zur Schwanheimer Brücke bei K24. Jener Punkt, an dem es mich beim DNF vollständig zerlegte und ein psychologisch wichtiger Punkt. Meine HM-Zeit lag übrigens über 1:30, die meisten anderen hätten eine Zeit darunter angestrebt wie auch die besagte Läuferin. Ich bin kein Typ nach dem Motto: was du hast, das hast du. Sondern ich strebte den Negativ-Split an, so wie Greif ihn vorsieht.
Nun war ich wieder auf der nördlichen Mainseite, hatte mehr als die Hälfte hinter mir und näherte mich wieder dem Ziel. Nun galt es eine weitere Entscheidung zu treffen: wenn du dich gut fühlst, so Greif, und denkst du kannst locker 5 Sekunden schneller laufen, dann lass jetzt die Leinen los, UND ZWAR JETZT! Und das machte ich. Etwas verhalten zwar aber ich ließ die Dinger los. Und von da an war mein Lauf ein einziges Überholmanöver. Während andere schon jetzt kämpfen mussten, weil sie das entscheidende Mü zu schnell losgingen, strotzte ich vor der reinen Power und zog an allem vorbei, was sich bewegte. Ich sah die Läuferin von vorhin wieder, die merklich Probleme hatte und zog massiv an ihr vorbei. Mal sehen, ob ich die wiedersehen, fragte ich mich. K30, es fing an wehzutun aber dennoch passierte das, was an guten Tagen passieren kann. Man läuft sich in eine Art Rausch, indem man überholt und überholt und die Stimmung, die langsam mir der sich wieder nähernden Stadt wieder aufflammte, aufsaugt wie ein Schwamm und dadurch die Probleme vergisst.
Die Probleme nämlich, sie würden kommen, waren schon da. Die Frage, war nicht, ob mir schlecht werden würde, sondern wann. Aminos konnte ich schon keine mehr runterschlucken, trinken auch nichts mehr, essen auch nicht. Das Einzige was ich noch tun konnte war mich mit dem Schwamm zu kühlen und diese extreme Härte, die ich spürte, zu übertünchen durch eine Art Meditation und Aufsaugen der Stimmung. Und dann, etwa bei K38 wurde mir schlecht. mein Gesicht war ganz eingefallen, wie ausgetrocknet, Mir wurde schummrig dazu und überspielen konnte ich auch nichts mehr. Es war nur noch Schmerz da, nur noch die pure Härte der Existenz in einem extremen Zustand. An einer VP hörte ich kurz auf zu laufen, ich ging, komplett am Arsch. Ich deutete diese Schummrigkeit, den Grad der Übelkeit, nahm einen Becher Wasser, kippte ihn mir übers Gesicht und dachte, „FUCK IT, weiter geht’s! Ich lief schneller, ging ins joggen über und plötzlich lief ich wieder , Pace gen 4:45. Ich wurde langsam wieder kassiert. Schmerzen hatte jetzt jeder. Aber fuck off, ich lief. 4K noch, ein Haufen Holz in diesem Zustand. Bei K 40 kassiert mich die Läuferin von vorhin wieder. Egal, hast du gut gemacht, Glückwunsch, richtig gepokert! Die Festhalle kam in Sichtweite und die da stand diese Frau mit dem Megafon. „Hey die 3 Stunden könnt ihr vergessen, aber scheiß drauf!“ Ich konnte lachen, musste lachen, dort vorne war die Festhalle, und gleich würde ich da rein laufen, über den roten Teppich hinweg in diese Halle voller Menschen, über die Line, das war sicher. Und so kam es.