03:03:50 und damit PB beim Frankfurt Marathon
„Hey wie geht’s dir?“
„geht wieder!“
„Und wie war’s?“
„Nicht so gut!“
„Und deine Zeit?“
„Ich habe keine, ich hab nicht gefinisht!“
„Das tut mir leid. Trotzdem schön, dass du dabei warst!“
Der Läufer lächelte mich an in meiner Niederlage und gab mir einmal mehr die Bestätigung, was für eine verdammt geile Community jene der Läuferinnen und Läufer ist. Zwei Jahre ist es her, mein DNF (DiD NOT FINISH) in Frankfurt. Und als ich wie ein Häufchen Elend an der Betonwand lehnte in der großen Halle der Sportbeutelrückgabe, da sah dieser Läufer, dass es mir nicht gut ging und sprach mich an. Es ging mir wirklich nicht gut. Mir war schlecht, mein Kreislauf war unten, und natürlich war ich auch mental total down. Das sah man mir wohl an. Klar sah man mir das an! Damals war bei mir bei K25 Schluss, ich war komplett erledigt, und den Rest der Strecke legte ich mehr humpelnd als laufend zurück, bis ich bei K40 die Uhr stoppte. Weil ich einfach keinen Bock mehr hatte! Bei der Zugfahrt zurück nach Berlin wusste ich, dass ich zurückkehren würde nach Frankfurt, und letztes Wochenende, zwei Jahre später und zwei Jahre an Erfahrung reicher, machte ich das.
Acht Wochen bretthartes Training am Rande des für mich machbaren verlangten mir alles ab. Familie, Arbeit und dann das Training. Das unter einen Hut zu bekommen, ist schwer, aber es geht. Aber nur dann, wenn man etwas unbedingt will und bereit ist, zu Zeiten zu trainieren, in denen normale Menschen andere Dinge tun, jedenfalls nicht trainieren. Nun denn. Bei den Longruns merkte ich, dass ich eine Sub 3 vergessen kann. Vielleicht nicht vergessen kann, das wäre falsch gesagt, besser wäre: nicht erwarten kann. Ich bekam den Speed bei den EB’s nicht hin, den andere rund um meine “Range” locker schaffen. Die Tempoeinheiten waren zwar gut bis super, aber die EB’s sind nach den Longruns sind nunmal DER Indikator beim Marathon, und so strebte ich dann eine 3:05 an.
Die Analyse rund um diesen Lauf, sie kommt noch, das hier ist die Kurzfassung. Es ging mit einer 03:03:50 unter mein Ziel. Ich machte viel bis sehr viel richtig und ich denke, dass die Grundsatzentscheidungen bis K15, von K15 bis K25 sowie K25 bis K32 grundsätzlich richtig, aber in der Dosis falsch waren. Erst bei K38 wurde mir schlecht (was sonst vorher passiert), gepaart mit Kreislaufproblemen und eine schöne Portion “Dizzyness”, sprich: kompletter Meltdown. Aber, ich bekam die Sache schnell in den Griff und brachte wenigstens wieder eine 4:30 aufs Parkett auf die letzten Kilometer.
„Hey, die Sub 3 könnt ihr vergessen aber scheiß drauf“, rief eine Frau mit Lautsprecher auf der Zielgeraden“! Und da konnte ich wieder lachen und machte das, was mir zwei Jahre zuvor verwehrt blieb. Ich lief mit einem Lächeln über den roten Teppich der Festhalle und finishte das Ding in PB. Von K25 bis K30 dachte ich zwanzig Minuten lang, dass es der Lauf meines Lebens werden könnte, sah mich bereits mit Siegerfaust über die Linie rennen unter drei Stunden. Daraus wurde zwar nichts, aber zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass es vielleicht machbar wäre für mich. Nun denn, warten wir es ab und das wird sicherlich davon abhängen, wie oft ich noch willens bin, mir so ein Training zuzumuten, mir das anzutun. Ich bin vielleicht zu nah dran. Zu nah, so dass ich manchmal wünschte ich wäre weiter weg. Das Ziel so greifbar zu haben ist Fluch und Segen zu gleich, weil ich sie schon wieder vor mir sehe, die nächsten brettharten acht Wochen. Ob und wann ich das nochmal versuche, keine Ahnung, vielleicht nächstes Jahr, vielleicht gar nicht. Vielleicht suche ich mir einfach ein neues Hobby, ein weniger nerdiges. Vielleicht aber auch nicht.
Zum Abschluss dieses kleinen Textchens, der lediglich ein kleiner Vorgeschmack von dem eigentlichen Bericht sein möchte, der bald folgt, folgendes: wenn du an der Startlinie eines Marathons stehst und richtig Schiss hast, so richtig, richtig. Dann ist es entscheidend, dir selbst zu sagen, warum du an diesem Sonntag halb ausgeschlafen in der Kälte stehst, während andere eingekuschelt in der Bettdecke Kaffee trinken. Es gibt einen Grund, warum du genau dort stehst. Es gibt einen Grund, warum du dir acht Wochen lang die Kante gegeben und so viele Kilometer geballert hast wie normale Jogger in drei Jahren. Du bist hier, weil du die Grenze suchst, die Grenze des für dich machbaren, das Äußerste, was geht. Du bist hier, weil du was willst, genau hier, heute! Und dein Training ist dein Kapital, das du im Kasten hast. Es wird dich tragen durch den Sturm, der da kommt. Und dann verwandelt sich Angst in bloße Lust und dem Sturm begegnest du mit einem Lächeln: “na komm schon!” Und dann wird ein Lauf zum Spaß, zur echten Show, zum Showdown!
Diese Stimmung in Frankfurt, dieser Sprint durch die Häuserschluchten, die Musik überall, die vielen Menschen, die meinen Namen riefen. Dieser Zieleinlauf über den roten Teppich in die Festhalle mit all den Lichtern. Wie habe ich dich gehasst, Frankfurt, vor zwei Jahren, und wie habe ich dich jetzt ins Herz geschlossen. Berlin mag der größte Marathon sein, jener, den alle machen wollen. Frankfurt ist der Marathon der Läufer, der brettharten Läuferinnen und Läufer, die den Asphalt niederbrennen. Kein Sightseeing, kein Gedöns, RUNNING ONLY!
Die Rechnung ist beglichen, ich bin in reinem mit dir, Frankfurt! Die Analyse folgt, KEEP ON RUNNING, SISTERS AND BROTHERS!!!