Trail Running – warum man den Bergen stets mit Respekt begegnen muss
Jedes Mal wenn ich in den Bergen bin – in den richtigen Bergen wie hier in Südtirol – höre ich Nachrichten von Wanderern, Bergsteigern und Montain Bikern, die ums Leben kommen oder spurlos verschwunden sind. Und das ist nicht nur in Südtirol so, sondern überall, wo es hoch hinaus geht. Gerade wird ein 43 jähriger Familienvater auf Korsika vermisst. Er brach zu einer Wanderung auf und seit Anfang August fehlt jede Spur von ihm. Wie kann das sein? Wie kann jemand einfach so verschwinden, warum findet ihn niemand? Im Zillertal wurde gerade nach mehreren Tagen die Suche nach einem 60-jährigen Mann eingestellt. Hier in Meran las ich heute eine Anzeige, dass ein 35-jähriger vermisst wird. Auf der Zugspitze starb im Juli ein 18-jähriger bei einem Blitzschlag.
Wenn ich da raus gehe in die Berge, auf den Trail ziehe, dann ist da immer Respekt dabei. Da ich alleine laufe weiß ich, dass es schlecht ist, wenn mir etwas passiert. Mein Handy ist deshalb stets aufgeladen dabei. Gehe ich long, ist auch eine Power Bank im Pack. In meinem Rucksack befinden sich weiterhin eine Notpfeife und ein Abwehrspray, eine Regenjacke, 20 Euro und ein Liter Wasser in der Blase. Trailschuhe mit Profil und Stöcke sind auch dabei – immer. Es kann regnen und dann wird ein Singletrail downhill schon mal zur Odyssee, bei dem man sich hinlegen kann. Wenn man sich auf den Kopf legt, ist das schlecht, und Stöcke geben da enorm Sicherheit. Habe ich die nicht, dann kann ich bei Regen eigentlich nur langsam runter. Und wehe, es ist dann schon spät und die Dunkelheit zieht heran. Über die WO IST Funktion kann mich meine Frau tracken. Ich erzähle ihr auch genau, wo ich hin gehe und wie lange das ungefähr dauert.
Ich möchte mit diesen Zeilen hier keineswegs sagen, dass irgend jemand der oben genannten auf tragische Weise verunglückten Personen fahrlässig gehandelt hat, auf keinen Fall. Ich möchte eigentlich nur das sagen: Die Berge sind gefährlich. Begeben wir uns in die Wildnis der Berge, dann sind wir ihnen ausgeliefert, und zwar auch dann, wenn es nicht so aussieht. Hier in Meran kommt man in Windeseile auf die durchkommerzialisierte Gipfelstation Meran 2.000. Jeder kann dorthin für ein paar Euro. Nach oben geht es durch ein krasse Berglandschaft, gezähmt von Trägern und Kabeln der Gondeln, und man schwebt hinauf hunderte Meter über dem Abgrund. Die Klippen scheinen nichts weiter zu sein als Kulisse. Aber dem ist nicht so. Die Klippen dort, sie sind echt. Die Wildnis da draußen, auch wenn sie nicht so aussieht, sie ist echt.
Der Weg, der überschaubar ist, sicher scheint, er ist es nicht mehr bei aufziehendem Regen und Hagel. Die Hütte dort, die so nah erscheint, sie ist vielleicht doch eine Stunde weit entfernt, weil die Dimensionen hier oben täuschen. Und die Letzte Gondel, sie ist vielleicht schon um 18 Uhr ins Tal gefahren. Und der Weg downhill mit dem geliehenen E-Bike, er ist vielleicht gefährlicher, als er aussieht. Hier in den Bergen sollte man wissen, zu was man fähig ist. Wie viele Höhenmeter kann ich, wie viel Strecke kann ich? Nur weil ein Freund sagt oder die spontane Begegnung, dass der Weg easy ist, bedeutet das nicht, dass er easy für mich ist. Nur weil mein Bike 50 Sachen downhill hergeben, heißt das nicht, dass ich dem gewachsen bin.
Wir sind Gäste da draußen und die wenigsten von uns sind auch nur im Ansatz Alpinisten, ja noch nicht einmal Berg erfahren. Daran ändern auch die North Face Jacke und Gravel Bike nichts. Wenn wir also da raus gehen, sollten wir das mit Bedacht machen, nie mit Verbissenheit, nie mit falschem Ehrgeiz. Wir sollten die Berge genießen und sie erleben, aber nie vergessen, zu was sie fähig sind.