Laufen, Sport,  Laufinspiration,  Ultra&Trail

Ich laufe weit – Hütten Hopping X-treme

“Macht ihr Hütten-Hopping?”
“Ja!”
“Wie viele macht ihr denn?”
“Alle!”

Das war einer der wenigen, aber doch markanten Dialoge auf dieser 44.5 Kilometer langen und knappe 2.300 Höhenmeter umfassenden Tour entlang des Haardtrandes. Zwei Runner-Buddies fragten mich, ob ich Lust darauf hätte, an einem Tag das Hütten-Hopping-Stempel-Heftchen voll zu machen. Sprich: zehn Hütten abzulaufen und deren Stempel in das Heft zu drücken, um als ehrenwerten Lohn das berühmte “Hopping-Dubbeglas” einzufahren. Ich sagte zu. Erstens: Weil es einfach eine nette Truppe war. Zweitens: Weil der letzte lange Lauf schon eine Weile her war. Drittens: Weil dieses DNF beim Donnersberg Ultra irgendwie noch an mir nagte. Will heißen: ich wollte einfach wissen, ob ich eine lange Strecke, die es Höhenmeter-mäßig in sich hat, ob ich so eine kann. Und – bin ich eigentlich geeignet, Ultras zu laufen, kann ich das?

Das ist kein Ultra, das ist Hütten Hopping “extreme”

Natürlich ist mir klar, das 44.5K kein Ultra sind. Per Definition zwar schon, da länger als die Marathon-Distanz, aber hey: 44.5K sind ein Witz für einen echten Ultraläufer, der ich (noch) nicht bin. Aber egal. Für mich ging es eher darum zu wissen, was mein Körper macht, wenn ich den Zug raus nehme aus so einem Lauf, diesen einfach easy angehe. Beim Donnersberg-Ultra bin ich ambitioniert reingegangen, volle Kanne mit dem Resultat, dass ich nach 30K erledigt war und raus ging. Es gab da nicht DIE Ursache, sondern nur dieses Sammelsurium von Dingen, die ausgelöst werden, wenn man am Limit läuft. Ich ging zu schnell los, im Prinzip wie bei einem Marathon, ungeachtet der Höhenmeter und halsbrecherischen Downhills, die den Magen durchschüttelten wie ein Mixer. Das war dieses Mal anders. Zwei Jungs, die ich kenne, dazu Zeit ohne Ende, notfalls den ganzen Tag, und einfach easy. Und so war das dann auch. Es ging hoch und runter, es gab Begegnungen und Gespräche, Pausen und viel zu lachen, also alles andere als ein Wettkampf, alles andere als Stress.

SO WHAT?

Und so kam es, dass wir nach mehr als sieben Stunden, nach vielem hoch- und wieder runter mit allen zehn Stempeln im Heftchen im Kreis saßen mit einem Finisher-Bier in der Hand, so wie sich das gehört in diesem Genre. Keine Magenprobleme, kein gar nichts. Klar taten mir die Beine weh, aber dennoch hatte ich das Gefühl, dass bei gemächlichem Tempo wie diesem hier auch längere Läufe drin wären. Wenn du 45K laufen kannst, gehen auch 50. Und wenn du die irgendwann kannst, dann gehen auch 75. NEVER ENDING STORY. Ich habe gelernt, dass es bei so einem Lauf wirklich sehr auf das Mentale ankommt. Man muss Zeit haben an so einem Tag, darf wirklich keine Verpflichtungen mehr haben, damit man entspannt reingeht. Und ehrlich gesagt habe ich das fast nie und hatte das auch nicht am Donnersberg. Nein, man muss einfach dahin und sich sagen: Wenn das halt zehn Stunden dauert, dann SO WHAT! Und während ich das schreibe, fällt mir ein, dass ich schon einmal über die Marathon-Distanz gegangen bin, 2020 war das, hatte ich schon fast vergessen. Es geht also, wenn ich will. Nächstes mal dann 50, ist klar, oder?

Geschafft

Jedenfalls hat die Ringelsberghütte zu und wir sitzen da mit unseren Heftchen voller Stempel und ganz ohne Dubbeglas. Was soll’s! THERE ARE DAYS AND THERE ARE DAYS, sagte mal jemand in Peru zu mir, als wir bei Mistwetter am Machu Picchu ankamen. Egal, das nimmt halt, wie es ist. Am Machu Picchu allerdings rissen die Wolken dann wieder auf und wir waren dann alleine da, das war ganz toll. Ach was sage ich da, das war unvergesslich. Und so war das heute auch. Was du getan hast, hast du getan und das Ding hier ist im Kasten, mit oder ohne Glas. Eingemeißelt in die Festplatte.

Zwecklos

Gegen Ende fragte mich eine Wanderin, wie man denn auf so eine Idee komme, so durch den Wald zu rennen. Sie sagte das mit einem Anflug von Verachtung, so hatte ich den Eindruck. Vielleicht war sie auch einfach genervt, kurz den Weg freizugeben, ich weiß es nicht. Ich antwortete: “Das kann ich Ihnen spontan nicht sagen.” Das war geschwindelt! Ich kannte den Grund, sie nicht. Warum sich erklären, dazu hatte ich keine Lust. Aber zu euch kann ich das ja sagen. Es gibt nichts Schöneres als durch den Wald zu rennen. Ich fühle mich dabei näher dran am ursprünglichen Sein den Menschen als bei allem anderen. Ganz nah am Homo Erectus, der durch seine Fähigkeit zu laufen täglich unfassbare Strecken in der Gruppe zurücklegte und den Neandertaler in die Geschichtsbücher verwies. Und wir – wir alle – können das, haben es aber vergessen und sind verloren in dieser Komfortzone. Jedenfalls ganz sicher näher dran als diese Frau im Komfort-Weinschorle-Modus.

Sinn oder nicht Sinn, das ist hier die Frage

Das Leben ist nicht dafür da, um gemütlich zu sein, der Mensch findet darin keine Zufriedenheit. Das ist nicht unsere Natur. Der Mensch ist ein Entdecker, ein die Grenze suchendes Wesen, der in Anstrengung etwas Erlösendes findet, er kann gar nicht anders. Das kann diese Gesellschaft nicht mehr, sie hat es vergessen. Und wir Läufer, wir wissen das. Hätte diese Frau das begreifen können? Ganz sicher nicht! Das ist unser Geheimnis, etwas das keiner versteht. Etwas, das man nicht erklären kann und etwas, das nie versiegt. Eine universelle Wahrheit, die man entweder kennt oder nicht. Sinnlos? Ja vielleicht, aber was bitte schön macht denn Sinn auf dieser Welt, die sich dreht und dreht und dreht? Finde das, was du liebst und tue es, werde besser, und du findest Sinn überall.

Ma San[/Avatar]

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert