DEUTSCHE WEINSTRASSE MARATHON – ein ganz besonderer Marathon
„Und, wie war’s?“, fragte ich den Läufer neben mir in der Dusche inmitten von Männern, die mehr oder weniger alle in sich gekehrt das Geschehene reflektierten mit dem Geplätscher der Duschen im Hintergrund.
„Ach, nicht so gut“, entgegnete mir dieser. Ich wollte nahe an die 4-Stunden Marke kommen, stattdessen bin ich weit drüber, und bei dir?“
„3:26. Lief auch nicht gut bei mir und ich bin auch weit über dem, was eigentlich drin sein sollte. Aber ich glaube das ging heute allen so. Hey, wir haben es geschafft und das war nicht leicht bei der Hitze heute.“
„3:26! Da werde ich nie hinkommen!“, entgegnete er.
„Doch, das wirst du!“, entgegnete ich.
Dann erzählte er mir, dass er 15 Jahre lang Kette geraucht hat und neben einem Full-Time-Job Familienvater von 3 Kindern ist. Für den Marathon habe er abends trainiert, teilweise nachts.
Als ich das hörte, sagte ich:
„Junge, es sind Biographien wie deine die Leute wie dich zu Botschaftern unseres Sports machen. Hey, du hast drei Kids zu Hause, gehst arbeiten und rockst bei 30 Grad im April einen Marathon ab. Mann, du bist ein Held!“
Wir lachten beide und dann sagte er: „Danke!“ Wir beide lächelten und ich ging meiner Wege.
Ein Lauf fürs’ Herz, nicht für die Bestzeit
Letztes Wochenende stand der Deutsche Weinstraße Marathon an. 2022 wollte ich schon teilnehmen, aber dann erwischte mich Covid. Da der Lauf nur alle zwei Jahre stattfindet war das also ein besonderes Event für mich. Von der Zeit her habe ich mir nichts vorgenommen. Zwar habe ich nach Peter Greif trainiert mit Ausrichtung 3:00, aber aufgrund der Höhenmeter dieses Marathons (500 Meter Zunahme) wusste ich, dass das eine Nummer für sich wird. Ich wollte eben so fit sein wie möglich für eine Zeit nahe der drei, um irgendwie gewappnet zu sein für die Höhenmeter. Als dann der Wetterbericht um die 30 Grad für diesen Tag anzeigte, dachte ich mir bei der Hinfahrt, alles unter 3:30 ist okay. Das war natürlich eine Art Selbstbetrug. Wenn man schon einmal unter 3:10 gelaufen ist, dann ist so viel drüber natürlich SHIT. Auf der anderen Seite – was will man machen? Die letzten Wochen mit vielen nächtlichen Training stets ab 21 Uhr und nur bei Dunkelheit waren hart, meine Tage geprägt von Müdigkeit, so war das halt, ist das halt bei einem Hobby-Marathoni mit Kids und Job. Meine Werte zeigen irgendwie alle nach unten. Die Laufprognosen meiner Uhr, die VO2Max, das sieht übel aus, Leute! Und da kann man sich schon fragen. Wozu die Plackerei, für eine 3:30, ist das dein Ernst? Sollte ich vielleicht lieber Briefmarken sammeln und in Karohemden grillen, statt mir das anzutun? Nein das glaube ich nicht. Was sagte neulich Maria Canins in einem Interview mit der FAZ:
“Bevor ich daheim stricke, quäle ich mich lieber das Stilfser Joch hinauf!”
Quelle: FAZ
Nun ja, ich halte das dann mal wie Frau Canins! Wie dem auch sei, dieser Marathon war ohnehin keiner für die Bestzeit, das war klar. Das war ein Marathon für die Wiedergutmachung von Covid und halt auch einfach mal wieder ein Marathon, denn der letzte liegt weit zurück. Ich wollte einfach die Distanz laufen so gut wie ich es eben konnte. So weit, wie mich meine Beine tragen würden. Und ich wollte auch endlich mal wieder die Grenzen spüren, die Zone jenseits den 30K bei vollem Energie-Input. Bei voller Intensität, die Beine und Physis, meine Lunge hergeben. Diese Todeszone, die einen in Stücke reist.
Schöner geht’s nicht
Schon oft wurde mir vorgeschwärmt, was für ein toller Marathon das ist und nachdem dieser für mich Geschichte ist, kann ich das nur bestätigen. Von mir gibt es virtuelle HIGH FIFE für die ganze Orga, angefangen vom Shuttle-Service zum Start über das tolle Handling mit dieser Masse an Leuten, die grandiose Verpflegung bis hin zu den Duschen danach. Das ist wirklich nicht zu toppen. Der Lauf ist eine harte Nuss, denn dieser hat wie gesagt 500 Höhenmeter reine Steigung. Es geht 10K straight, dann 5K hoch, 5K runter und wenn man dann denkt, es wird besser, geht es gegen Ende erneut hoch. Und zwar so lange, bis man kotzt. Los ging es in Bockenheim zusammen den Halbmarathonis durch Asselheim bis nach Sausenheim. Dort ging es für die Shorties zurück und für uns weiter über Kleinkarlbach, Bobenheim, Weisenheim, Leistadt, Bad Dürkheim, Ungstein, Kallstadt, Herxheim, Dackenheim, und Kirchheim wieder zurück. Die Stimmung in den kleinen Weindörfern war einfach grandios. Menschenmassen entlang den Straßen, Musikkapellen, Trommler, Kids mit Kuhglocken, mit Pauken und Trompeten. Leute an den Fenstern, überall Geklatsche. Wassereimer mit Schwämmen auf der Straße, aufgestellt von irgendwem für uns Läufer. Mensch, was da los war! Dann ging es durch Fußgängerzonen, durch Unterführungen, über Brücken und zwischen den Dörfern stets auf und ab entlang endloser Weinebenen und oft genug einfach mittendurch. Und selbst dort wurden wir angefeuert von Leuten auf Picknickdecken, auf Rädern, von Wanderern, von allen. An den VP’s gab es Wasserbecken für die Schwämme und alles was das Herz begehrte, sogar Riesling-Schorle und Saumagen. Als ich gegen Ende völlig zerstört an einem VP ankam, fragte mich wirklich jemand ernsthaft, ob ich eine Weinschorle will, haha. Es gab sogar eine Riesling-Dusche und hey, so mancher Läufer machte davon Gebrauch. Rein landschaftlich geht es eigentlich auch nicht schöner. Nach den teilweise wirklich sehr harten Anstiegen wurden wir belohnt mit Killerblicken über nicht enden wollende Weinfelder unter blauem Himmel.
Knallharte 42K
Und wie war der Lauf? Na ja, semi. Kompletteinbruch nach der halben Strecke, um es in einem Satz zu sagen. Bis dahin lief es super und ich hatte eine Durchschnittpace von 4:15 auf dem Tacho. Aber da spürte ich meine Beine schon. Wahrscheinlich bin ich den ersten Anstieg nach 10K schon zu schnell hoch und danach vielleicht auch zu schnell runter. Schwer zu sagen. So ein Auf und Ab hat halt eine große Unbekannte drin. Der Puls geht hoch und runter, es wird schnell und langsam gelaufen. Alles andere als Konstanz halt. Dazu die Hitze, es war richtig heiß an dem Tag nach Wochen der Kälte im Vorfeld, sicherlich auch nicht leicht für den Organismus. Jedenfalls wurde ich ab der Hälfte sichtlich langsamer und der zweite, lange Anstieg zerstörte mich dann mehr oder weniger ungeahnt komplett. Danach wurde mir wie eigentlich immer schlecht und ich musste das Tempo merklich rausnehmen, legte die erste Gehpause ein. Und so war der Rest des Weges für mich ein mich Hineinhören und immer häufigeren Gehpausen, für die mich Peter Greif lebendig gegrillt hätte. Mir egal. Für mich hieß es ab da. Spaß haben, High Fives für die Kids, lächeln, irgendwie weiter laufen und ins Ziel kommen.
Ich wurde zwar kassiert, aber überraschenderweise nicht überrannt. Als Nummer 42 ging ich über die Linie, als achter in der AK, es ging offensichtlich vielen so wie mir und wie sich herausstellte, gingen auch viele ganz raus. Rausgehen kam nicht in Frage. Hatte ich schon einmal in Frankfurt und das reicht für zehn Jahre. Klar waren die 3:26 für die Tonne, aber ich habe nicht trainiert mitten in der Nacht um rauszugehen bei dem Lauf. Haruki Murakami schreibt in seinem Laufbuch, dass folgendes auf seinem Grabstein stehen wird: „AT LEAST I NEVER WALKED!“ Das fand und finde ich immer gut für Läufer wie ihn und mich die läuferisch manchmal zu groß denken bei unzureichendem Talent. Auf mich übertragen heißt das. Auch wenn ich wie in diesem Fall meinen nächsten Marathon irgendwie verkackt habe und noch immer kein Licht scheint am Ende dieses einer meiner längsten Tunnel meines Lebens. FUCK IT! Und wenn schon. Auch wenn ich nur ein mittelmäßiger Marathoni bin, ich bin das Ding durchgelaufen, jeden verdammten Meter. Ich bin nicht raus, sondern habe die Linie überquert mit einem Lächeln im Gesicht. AT LEAST I SMILED A LITTLE. Ob das was für meinen Grabstein wäre? In diesem Sinne, KEEP ON RUNNING, BROTHERS!