Bye, bye, BERLIN – und die Geschichte, als ich barfuß aufs Podest lief
Das war’s, mein letztes Rennen in Berlin. Nicht der Marathon, sondern der Heinersdorfer Viertelmarathon bei mir um die Ecke. Und ich machte etwas, was ich immer machen wollte, ich lief dieses Rennen in meinen Huaraches, meinen selbst gebastelten Rennsandalen, wie sie von den Tarahumara – “jenen, die laufen” – getragen werden. Obwohl ich im Training ja sehr oft minimal laufe, ist ein Auftritt im Wettkampf mit den Dingern dann doch etwas anderes. Man zieht viel Aufmerksamkeit auf sich deswegen und ich hatte das Gefühl, dass man mich nicht so ganz ernst nimmt. Als dann aber jene Läufer mit Zeitambition gebeten wurden, sich vorne rein zu stellen und ich das dann gemacht habe, da spürte ich so manchen Blick auf mir. Aber – es ging mir um ein Statement heute, dass ich bei meinem letzten Rennen in Berlin nun mal machen wollte. Ich wollte zeigen, dass es um gut zu sein, um schnell zu sein (wobei das wiederum stets Ansichtssache ist) keiner teuren Ausrüstung bedarf, sondern einem guten Laufstil, einem gutem Training, Spaß an der Sache und einer guten Portion Wahnsinn. Finde ich jedenfalls und das ist meine Interpretation vom Laufen und von Rennen. Nach dem Start waren vier Jungs gleich weg, darunter ich, barfuß. Und ich denke, spätestens jetzt nahm man mich dann auch für voll und ein bisschen musste ich jetzt schon schmunzeln. Es ging abwechselnd über Feldwege und Asphalt und zumindest bis K5 blieb es wirklich spannend, ein richtiger Fight mit mir auf Platz vier. Dann brach der Läufer auf Platz 3 ab. Ja es war hart heute, weil es so verdammt heiß war. Und jetzt wusste ich, dass heute das Podest drin war, denn hinter mir war auf weite Entfernung niemand zu sehen.
Als Dritter (1. Platz AK) ging ich über die Linie und wurde als erster Barfußläufer in diesem Rennen überhaupt gefeiert. Ich denke, das viele überrascht waren, dass man barfuß schnell und erfolgreich laufen kann. Und genau das ist ja das Kuriose und das Statement, das ich setzen wollte. Laufen ist die ursprünglichste Tätigkeit überhaupt, der Mensch DIE Läuferspezies schlechthin auf der Erde und der Fuß die ultimative Laufwaffe. Genau das gilt es wieder zu begreifen in einer Laufwelt, die verstärkt auf Schuhe mit massivem Unterbau, kurzer Haltbarkeit und und hohen Preisen setzt. Warum, und damit zitiere ich aus Born to Run, sollten sich alle Lebewesen der Erde auf ihre Füße verlassen können, aber wir nicht? Im Anschluss hatte ich viele, wirklich sehr viele Gespräche über meine Huaraches von vielen interessierten Läuferinnen und Läufern. Sie wollten wirklich wissen, was es genau damit auf sich hat, wie und wo man mehr darüber erfahren kann. Ich empfahl Ihnen Born to Run, mein Lieblingsbuch, dass mein Läuferleben maßgeblich beeinflusst hat, auch im Wissen, dass viele damit nichts anfangen können. Und dann lief ich nach Hause nach diesem kleinen, unspektakulären Rennen, das mich aber stolzer machte als so manches große. Einfach deshalb, weil ich Spuren hinterlassen habe und dem ein- oder anderen einen Fingerzeig gegeben habe, sich mehr mit minimalem Laufen und Laufstil zu beschäftigen, was – das ist meine Haltung – jede Läuferin und Läufer besser und stärker macht.
Und nun – nun geht meine Zeit in Berlin zu Ende. Ich schreibe diese Zeilen im Zug und das nächste Mal, wenn ich nach Berlin komme, bin ich kein Berliner mehr, sondern Tourist. Meine läuferische Reise ist untrennbar mit Berlin verknüpft. Meinen ersten Halbmarathon lief ich hier. Meinen ersten Marathon – lief ich hier. Meine Bestzeiten stehen in Berlin und Umgebung. Stück für Stück habe ich mir Berlin erlaufen in unzähligen Kilometern, bei Wind und Wetter, habe mich gefreut, geflucht oder mich einfach verloren. Wie oft lief ich die große Runde, über die Felder von Malchow, durch den botanischen Volkspark hoch ins Tegeler Flies und über Alt-Lübars zurück? Es waren unzählige Male, bei Wind und Wetter, zu allen Jahreszeiten, und stets kam ich auf RESET zurück nach Hause, mit neuer Energie für die Aufgaben des Lebens. Ich bin dankbar für alle, die ich kennenlernen durfte – Christian und der andere Christian, Jay, Thomas, David, Sven, Birgit, Chris und viele, viele andere. Bin dankbar für Gespräche über unsere gemeinsame Passion. Ich habe Berlin ins Herz geschlossen und das bleibt so.
Dieses Jahr begann super. Einer Halbmarathon-Bestzeit von 1:21 folgte mein Marathon im Spreewald in 3:06. Nicht die Sub 3 wie erhofft, aber ich nähere mich. Aufgrund vieler Veränderungen in meinem Leben und letztlich meinem Wegzug von Berlin in meine alte Heimat Rheinland-Pfalz, die ich über zwanzig Jahren verließ, konnte ich seitdem nicht mehr nennenswert trainieren. Aber eines ist sicher – nächstes Jahr greife ich wieder voll an! Ich werde vermehrt meine Asphalt- gegen Trailschuhe tauschen und die Singletrails des Pfälzer Waldes entlang brettern. Und jetzt freue ich mich auf einen neuen Lebensabschnitt und alles, was kommt.
6 Kommentare
Anonymous
Eine schöne Geschichte, so ging es mir bei meinem ersten Ironman, als ich in Laufschuhen ohne Klickpedalen einige Radler überholt habe und sie ungläubig auf meine Schuhe geschaut haben. Ich hätte auch kein Problem in Converse Schuhen zu fahren….
MaSan
Sehr starke Aktion von dir. Bringt mich wirklich zum Schmunzeln, wenn ich mir das vor dem inneren Auge vorstelle. Adidas hat jetzt einen Schuh für über 500 EUR rausgebracht. In den Siebzigern waren die Läufer*Innen tatsächlich in Chucks unterwegs und in der Breite waren die besser und wesentlich krasser drauf als heute. In diesem Sinne – keep it simple!
Oliver
Was soll ich sagen 😉 Komische Blicke, Kommentare, Sprüche nehme ich schon längst nicht mehr wahr. Macht ihr mal was ihr wollt, ich mache was ich will. Zu Sportwettkämpfen gehört ja auch immer eine gute Portion Selbstvertrauen, im Ziel sind dann alle klüger.
Gratulation zum Treppchen und zur tollen Zeit! Ich bin übrigens ein bekennender Fan von kleinen regionalen Rennen, ich empfinde die irgendwie als “intensiver” und ehrlicher. Und Dir jetzt erstmal viel Freude am neue Lebensabschnitt 🙂
MaSan
Hi Oliver,
sag mal bekommst du in deinen Sandalen Blasen an den Füßen? Würde mich mal interessieren! Meine Füße sahen schon heftig aus danach, aber man muss halt dazu sagen, dass ich die Dinger selbst gebaut habe und die Sohle nur 4mm dick war. Ich glaube ich muss da doch mal hin zu mehr Komfort. Mit den kleinen Läufen hast du absolut recht. Nach dem Rennen hatte ich viele nette Gespräche, alles wurde irgendwie improvisiert und gerade das gefiel mehr sehr. Hier in der Pfalz gibt es viele Trailrennen, die allesamt klein sind, mit extrem coolen Strecken und irgendwo immer wieder denselben Gesichtern, die man an der Linie trifft. In Landau, wo ich jetzt (bald) bin, gibt es um die Ecke einen neu etablierten Parkrun. Ich denke auch da werde ich oft mitmachen. Und auch für die großen Rennen nächstes Jahr werde ich mir lokale Events aussuchen, wahrscheinlich den Südliche Weinstraße Marathon im Frühjahr und den Landau Marathon im Herbst. Mal sehen was ich mache. Was geht bei dir so? Muss mal wieder auf deinem Blog vorbeischauen!
Oliver
Ich bekomme keine Blasen, egal mit welcher Sohlendicke ich renne, hab ja alles von 3mm bis 13mm dabei. Wichtig ist bei schnellen Rennen eine superfeste Schnürung, da darf nix rutschen. Deshalb bin ich ja auch zu den Shammas gewechselt und lasse das mit DIY einfach bleiben (zumindest für Rennsandalen), die Shammas lassen sich wirklich perfekt festzurren. Aber natürlich muss die Fußsohle auch etwas “Gewöhnungs-Hornhaut” bekommen, die gibts natürlich nur bei regelmäßigen Läufen mit den Dingern 😉
Mach unbedingt den parkrun mit, macht Spaß und ist perfekt für dein Tempotraining.
MaSan
Danke für den Tipp. Ich denke ich werde mir die Shammas mittelfristig zulegen. Für das schnelle Laufen sind meine wohl wirklich nicht so gut geeignet. Und vom Parkrun werde ich schon bald berichten (-;
Liebe Grüße