TOO GOOD TO GO – eine funktionierende Initiative gegen die Verschwendung von Lebensmitteln
Ungefähr ein Drittel aller Lebensmittel weltweit wird nicht verzehrt, sondern weggeschmissen. Von allem Abfall, der weltweit anfällt, handelt es sich bei weit über 40 Prozent, also fast der Hälfte, um für den Verzehr geeignete Lebensmittel. Um dies besser greifbar zu machen: Das sind mehr als eineinhalb Milliarden Tonnen Lebensmittel pro Jahr. Und noch fassbarer: Mehr als 50 Tonnen Lebensmittel, die in jeder Sekunde eines jeden Tages weggeschmissen werden. Tendenz? Stark steigend! In den nächsten zehn Jahren wird dieser Missstand um ein geschätztes Drittel zunehmen und die Menge weggeworfener Lebensmittel von eineinhalb auf über zwei Milliarden Tonnen steigen. Das sind dann nicht mehr 50 Tonnen pro Sekunde, sondern 70. SO SIEHTS AUS! Und wer jetzt denkt, dass das wieder die Chinesen sind oder die Inder oder sonst wer… nein, nein, in erster Linie sind wir das! Wir, das sind der globale Norden, die reichste Spitze der Welt, das Ende der Wertschöpfungskette. Wir als Verbraucher sind wählerisch und nur das Beste vom Besten ist uns gut genug, nicht wahr? Wenn es wir sind, dann wer genau und wo stehe dann ich? Nun: Fast die Hälfte des Lebensmittelverlustes entsteht im Einzelhandel und damit auf Verbraucherebene. Das bedeutet zum Beispiel EU-weit circa 90 Millionen Tonnen Lebensmittel oder umgerechnet 173 Kg pro Kopf. Die Hälfte davon fällt auf die Haushalte, also auf dich und mich und damit nicht auf die Geschäfte. Und wenn man jetzt denkt: Okay, wenn es schon nicht die Chinesen sind und nicht die Inder, dann sind es bestimmt die Italiener oder die Engländer… leider wieder nein. Wir Deutschen sind mit 216 Kg pro Kopf ganz weit vorne dabei in Europa, was die Vernichtung von Lebensmitteln angeht. Mehr muss ich nicht schreiben um klarzumachen, DAS IST EIN PROBLEM, und zwar ein ganz gewaltiges und es wird VON UNS verursacht. Ein Problem, das natürlich unmittelbar verbunden ist mit unserem Kampf gegen den Klimawandel. Aber vor allem ein Problem, dass vollkommen unnötig ist. Keiner will das, und trotzdem passiert es. Die Frage ist, was können wir machen?
Woran es liegt
Das Problem liegt irgendwo zwischen Angebot und Nachfrage, irgendwo hier läuft also etwas schief. Fangen wir bei dem Angebot an, bei den Geschäften. Hier wird ein Überangebot hergestellt, klassisches Beispiel Bäckereien. Jeder fragt sich doch, was mit dem Brot passiert, dass um 19 Uhr hinter der Glasvitrine liegt, und dem neben dran, und dem daneben. Es wird weggeschmissen! So ist das mit Obst auch, mit Gemüse und Fleisch, so ist es mit allem. Die Geschäfte möchten uns zu jeder Zeit ein Maximum an Auswahl bieten und sind anscheinend der Ansicht, uns nicht zumuten zu können, dass um 19 Uhr nur noch 2 Brote da liegen statt 20. Nun ist es so, dass mich persönlich bisher niemand gefragt hat, ob ich das wirklich so will. Aber in den Vorständen irgendwelcher Konzerne malt man sich das scheinbar so aus, man kann sich das ja sogar bildlich vorstellen, wie das abläuft. Ich jedenfalls finde das eine falsche Ansicht dieser Firmen und eine falsche Meinung, die diese Geschäfte, Firmen und Konzerne über ihre Kunden, über mich haben. Es wäre für mich okay, wenn da nur noch drei Brote liegen, fertig, Ende! Es ist aus meiner Sicht in erster Linie die Angebotsseite, die für diesen Shit verantwortlich ist. Ladenbesitzer in Bahnhöfen, Shopping-Arkaden und sonst wo werden dazu verpflichtet, dass die Vitrinen immer voll sein müssen, zu jeder Tageszeit. Ich weiß das von einigen Geschäften in Berlin, wo das im großen Stil jeden Tag passiert, selbst die Ladenbesitzer sind schockiert darüber. Aber es geht weiter, jeden Tag einfach immer weiter. Es sind unfassbare Mengen, die nach Feierabend übrig bleiben, die selbst von den vielen gemeinnützigen Organisationen nicht komplett aufgenommen und verwertet werden können. Da auf Geschäfte und deren Inhaber, insbesondere große Unternehmen kein Verlass ist, muss der Druck also von uns kommen. Denn die meisten Firmen verstehen nur eine Sprache – Geld, und sonst gar nichts! Also sprechen wir mit den Firmen in der Sprache, die sie kennen und spielen dieses Spiel, so wie sie es wollen, nicht mehr mit. Das ist das, was du, was ich, was wir machen können. Wenn ein Laden merkt, dass das Bewusstsein des Kunden sich auf Nachhaltigkeit einschärft, dann ändert er seine Haltung, sein Sortiment und ja, auch die Menge der Lebensmittel. Warum? Weil er den Verlust des Kunden fürchtet, den Verlust von Geld.
Was können wir machen?
Ein komplexes Problem, das im Prinzip niemand will und dennoch passiert. Um dieses zu lösen, braucht es einfache Ansätze, die leicht zu verstehen und umzusetzen sind. TOO GOOD TO GO ist so ein Ansatz. 2015 in Dänemark gegründet, hat das Unternehmen die Reduktion der Lebensmittelverschwendung als eines der wichtigsten Maßnahmen herausgefiltert, die wir gegen den Klimawandel tun können. Durch Inspiration, so wird auf der Website geschrieben, sollen Worten auch Taten folgen und in eine weltweite Bewegung gegen sogenannten Food-Waste führen. TOO GOOD TO GO jedenfalls ist in Berlin angekommen, wird bekannter und zeigt Effekte, indem es genau jenen sensiblen Punkt in Angriff nimmt, der so wichtig ist, jenen zwischen Angebot und Nachfrage, dem Geschäft und dem Kunden. Und so funktioniert es:
Ein Lebensmittelgeschäft kann auf der Handy-APP TOO GOOD TO GO Waren anbieten, die sonst weggeworfen würden. Das kann eine Gemüsekiste sein in einem Supermarkt, eine Brot- und Brötchen-Tüte aus einer Bäckerei, die exklusive Schokolade eines Schoki-Typen oder das komplette Mittagessen im Restaurant um die Ecke. In allen Fällen ist es eine Überraschungstüte, bei der man weiß, welcher Typ Lebensmittel drin ist, aber nicht genau was. Genau das macht es den Unternehmen sehr leicht in der Logistik. Die Kunden wiederum erhalten die “Überraschungstüte” weit unter Marktpreis. Für eine volle Gemüsekiste in einem Berliner Bioladen zahlt man gerade mal knappe 4 Euro, was ich auf ein Viertel des regulären Preises schätze. In einer Biobäckerei bekommt man für das gleiche Geld Waren im Wert von locker 12 Euro. Das Einzige, was man tun muss, ist eine Reservierung per App zu tätigen, insofern es das Kontingent, das mittlerweile schnell vergriffen ist, zulässt. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass man exzellente Produkte erhält und bin absolut begeistert, wie gut das funktioniert. Angenommen wird es in Berlin mittlerweile sehr gut. Wenn ich meine Kiste bei Denns abhole, stehen da noch zwei andere für weitere Too Good To Go Leute, die Sache funktioniert also. Auf diese Art und Weise entsteht eine Win-Win-Situation für Käufer und Verkäufer und es wird das umgesetzt, was wir alle wollen. Es wird weniger weggeworfen, weil die Wertschätzung für die Waren steigt. Weit mehr als zehntausend Partnerunternehmen sind mittlerweile dabei, was beweist, dass das Konzept überall hin übertragbar ist. Jede Firma, jedes Unternehmen kann mitmachen, einfacher geht es nicht.
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