Die FASTEST KNOWN TIME (FKT) – was das ist und warum es so ungemein viel Spaß macht
Neulich las ich das Buch North von einem Ultraläufer, den ich nicht nur des Laufen, sondern seiner Lebensweise als solche wegen sehr bewundere – Scott Jurek. In North läuft Scott den amerikanischen Appalachian Trail – weit mehr al s2.000 Meilen durch die Wildnis – auf Zeit. Jurek versucht, die bisher am schnellsten offiziell gelaufene Zeit über diese Strecke, die Fastest Known Time, kurz FKT, zu unterbieten. Die FKT ist im Prinzip nichts Neues, im Gegenteil. Im Buch Der Aufstieg der Ultraläufer, das ich an anderer Stelle rezensiert habe, lässt sich nachlesen, dass ähnliche Wettkämpfe dieser Art bereits vor Jahrhunderten gelaufen und dokumentiert wurden, von der Bildfläche verschwanden und heute meist im Gewand des Ultra-Runnings – der am stärksten wachsenden Sportarten weltweit – wieder auftauchen. Mit dem Ultra betritt, auch wenn es sich prinzipiell um grundverschiedene Dinge handelt, auch das Trail-Running die Bühne und erfreut sich großer Beliebtheit. Während ein Ultra in den meisten Fällen gleichzeitig ein besonders krasser Trail-Run ist, ist ein Trail-Run von der Strecke her variabel, mal kurz, mal lang. In jedem Fall assoziiert man einen Trail-Run eine Strecke mit möglichst unberührter Natur in forderndem Terrain auf winzig kleinen von Wurzeln überzogenen Pfaden, “trailig” eben. Und auf immer mehr dieser Trails werden FKT-Wettkämpfe gelaufen, die einen besonderen Typus Läufer anlockt.
Mehr als ein virtueller Lauf
In Zeiten von Corona gab es so gut wie keine echten Wettkämpfe mehr, fast alles wurde abgesagt. Die Organisatoren versuchten zu retten, was zu retten war und organisierten virtuelle Wettkämpfe. Eine tolle Idee! So war es möglich, für den großen Stadtmarathon, der ausfiel, dennoch voll motiviert zu trainieren und diesen am Tag des eigentlichen Stattfindens dennoch zu laufen. Alleine zwar und auf einer beliebigen Strecken, aber dennoch nach klaren Regeln und im Wettkampf gegen andere. Ein Fastest-Known-Time-Wettkampf aber ist etwas völlig anderes, was ich an ein paar wesentlichen Punkten verdeutliche:
- Bei einer FKT wird die Strecke vordefiniert und jemand, der einen Versuch startet, muss exakt die vorgegebene Strecke laufen. In der Regel lädt man sich dafür die Strecke als Navigationsdatei auf die Uhr oder Mobiltelefon. Will heißen, die Navigation ist eine Herausforderung für sich, die gemeistert werden will und auch muss.
- Denn, auch das ist eine Regel, die Uhr wird unterwegs nicht gestoppt. Auch dann nicht, wenn man sich verläuft. Wer das dennoch macht, verstößt gegen den FKT-Kodex und handelt unsportlich. Ein echter Trail-Runner würde aber lieber die Schuhe an den Nagel hängen als die Uhr zu stoppen. Jegliches Stoppen der Uhr, und sei es nur für das Foto des pittoresken Sees, gilt als Regeneration und diese Regenerationszeit, das ist Trailrunner-Ethos, wird niemals unterschlagen. Vergleicht man das mit den erwähnten “normalen” virtuellen Läufen, stellt man fest, dass hier tatsächlich viel gemauschelt wird.
- Ein weiterer Unterschied zu einem normalen virtuellen Lauf liegt darin, dass eine FKT im Regelfall für immer und wenn nicht, dann doch über einen langen Zeitraum gelaufen werden kann.
- Eine FKT Strecke bietet in der Regel immer unvorhergesehene Herausforderungen und man kann sich nie ideal darauf vorbereiten. Genau darin liegt auch der Reiz. Während ich einen virtuellen Marathon streng nach Pace laufen kann, lässt sich eine FKT über eine “trailige” Strecke nicht konstant laufen. Die Bewältigung einer guten Portion Höhenmeter gehört immer dazu und die Kraft lässt sich deshalb nur schwer konstant einteilen. Hier macht sich Erfahrung bezahlt. Ein erfahrener Trail-Runner weiß, dass man eine Steigung stets langsam angeht und bergab immer gibt, was die Karre hergibt, um die verlorene Zeit wieder rein zu holen. Nicht so erfahrenen Läufern kann es schnell passieren, dass sie sich übernehmen oder im Gegenteil mit zu viel Reserven ins Ziel laufen.
Eine FKT ist also ein sehr reizvoller Wettkampf der besonderen Art und eine gut gelaufene Zeit erzeugt eine Menge Aufmerksamkeit in der Trail-Running-Community.
Was eine Trail-Route als solche qualifiziert und wo man diese findet
Das führende Portal fastestknowntime.com hat ganz klare Bedingungen definiert, die es einzuhalten gilt, damit eine Route aufgenommen wird. Demnach muss diese…
- … in gewissem Sinne interessant sein
- … 5 Meilen lang sein und 500 Fuß Steigung enthalten
- … in erster Linie die Disziplinen Laufen und Wandern beinhalten
- … weniger als 10% Klettern an Seilen erfordern
Völlig egal dabei ist:
- … ob der Lauf auf der Straße, auf einem Trail oder gar abseits des Trails stattfindet
fastestknowntime.com hat keinen geringeren Anspruch, die schönsten Routen der Welt zusammenzustellen und wer dort mal vorbeischaut, findet mittlerweile auch in Deutschland in fast allen Bundesländern einige tolle und ambitionierte Strecken. Mit der Website myvirtualtrail.de hat nun auch das Trail Magazin dem Zeitgeist Rechnung getragen, verfolgt aber einen ganz eigenen Ansatz. Auf der Website werden zeitlich begrenzt Routen in ganz Deutschland veröffentlicht, die für einen begrenzten Zeitraum gelaufen werden können. Es gibt eine Punktwertung und Jahresranglisten, die das Ganze wirklich interessant machen. Ich selbst habe mir eine FKT-Strecke in Berlin ausgesucht und bin wirklich überrascht, wie viele Läufer die Strecke bereits angegangen sind. Ein wirklich reger Wettkampf ist dort entstanden.
Welche Regeln es einzuhalten gilt
Es gibt wenige, aber wichtige Regeln einzuhalten, diese wären:
- Die Uhr wird erst im Ziel gestoppt, niemals vorher
- Die Zeit muss verifiziert werden, d.h. nach Einreichen des Laufs wird dieser auf Abweichungen von der Route geprüft
- Der echte Name des Läufers muss angegeben werden
- Angabe der Laufdurchführung: Das sind die Kategorien „supported“, also unterstützt, was so viel bedeutet dass jemand den Lauf begleitet und unterstützend eingewirkt hat. Dann gibt es „self-supported“, was so viel bedeutet , dass man Unterstützung entlang des Weges annimmt oder beispielsweise unterwegs einkaufen geht. Und dann ist da „Unsupported“ und das heißt, alles was du brauchst, das regelst du selbst oder hast es von Anfang an dabei
- Die Vorgabe der Richtung, in der der Lauf gelaufen werden muss, gilt es einzuhalten
Es gibt noch zahlreiche andere Dinge zu beachten und hier kann ich nur darauf hinweisen, dass fastestknowntime.com diese wesentlich strenger auslegt als myvirtaultrail.de. Das liegt sicherlich auch daran, dass sich mittlerweile die besten Ultraläufer der Welt im Rahmen dieser Art des Wettkampfes miteinander messen und es die dort gelisteten Strecken wirklich in sich haben. Der oben genannte Super-Trail, den Scott Jurek anging, ist ganz sicher nicht für “normal sterbliche” Läufer unter uns. Dort wird auch nur der aktuell schnellste Läufer gelistet, eine Rangliste gibt es nicht. Bei myvirtualtrail.de geht es mehr um den Spaß an der Sache, das Regelspektrum ist ganz einfach und es gibt auch eine Rangliste, so dass ein lebhafter Wettkampf entbrennt.
Fazit
In Zeiten der Wettkampf Abstinenz finde ich die FKT-Sache eine tolle Art, sich mit Gleichgesinnten unter gleichen Bedingungen zu messen, und das hat enormen Fun-Charakter. Weiterhin denke ich, dass bei einer FKT der Fair Play Gedanke mehr zählt, d.h. sich ein Läufer lieber ein Bein ausreißt als zu betrügen. Bei einem der vielen virtuellen Läufe, bei denen es nur auf die Distanz ankommt, aber auf einer beliebigen Strecke ausgetragen werden, sind die Leistungen nicht vergleichbar, finde ich. Weiterhin wird viel getrickst, wie ich finde. Das lässt sich ganz leicht machen, indem die Uhr zur Regeneration gestoppt wird und als Resultat die reine Bewegungszeit, nicht aber die gesamte verstriche Zeit angegeben wird. Warum das gemacht wird, keine Ahnung! Fake ist überall, da braucht man sich nur die Instagram-Bilder vieler Läufer anschauen, die nach einem angeblichen 3:05er in die Kamera lächeln. Niemand lächelt nach so einer Zeit in die Kamera! Aber worauf ich hinaus will, die Ergebnisse eines virtuellen Laufs sind im Prinzip für die Tonne. Alles in allem ist beides aber toll und hält uns bei der Stange. In diesem Sinne hoffen wir einfach, dass es bald wieder echte Läufe gibt und wir bei echten Wettkämpfen um die Wette laufen dürfen.
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