Irland: Unterwegs auf dem Wicklow Way
Manchmal sieht die echte Welt ganz anders aus, als man sie sich vorstellt. Der Wicklow Way ist dafür das perfekte Beispiel. Vor Dublins Haustür gelegen, erwartet man hier nicht unbedingt, durch eine märchenhafte Landschaft zu wandern und auf dem Weg nahezu keiner Menschenseele zu begegnen. Doch so ist es! Trotz der Nähe zur trubeligen Hauptstadt und dem Ruf des Wicklow Ways als einer der beliebtesten Routen auf der grünen Insel hat sich Irlands erster ausgeschilderter Wanderweg seine Ursprünglichkeit weitestgehend bewahrt. Ich bin ihn gelaufen, vom Anfang bis zu Ende – na ja, fast! – und habe Eindrücke im Gepäck, gute und nicht so gute. Denn auch die nicht so guten gehören zu einem Reiseartikel, der sich authentisch nennen möchte.
„Relax – you’re exactly where you’re meant to be. It’s all going to work out better than you could ever imagine!”
Das steht auf einem kleinen Zettel geschrieben, den ich aus den Fugen des uralten Mauerwerks einer alten Kapelle ziehe. Irgendjemand hat ihn geschrieben und hier hinterlegt für jemanden, der wachsamen Auges daran vorbeigeht – für einen Wanderer. Glendelough ist ein magischer Ort und erscheint heute wohl noch magischer als sonst. Die Sonnenstrahlen brechen sich an der Oberfläche eines plätschernden Baches, hinter dem Schafe grasen. Und die uns umgebenden Bergseen reflektieren die grünen Hänge, die steil um uns herum in die Höhe ragen. Das ist fast ein bisschen zu viel des Guten, zu sehr Katalog, aber genauso sieht es hier aus. Und jetzt schaue ich wieder auf den Zettel, auf das was da steht, denn es scheint für wie für mich geschrieben zu sein. Denn ich bin tatsächlich auf der Suche, stets auf der Suche, und weiß manchmal gar nicht nach was. Ich bin ein Wanderer, ja, ein Wanderer, und ich schlendere den Wicklow Way, der mich die Zeit vergessen und achtsam werden lässt. Und achtsam, ja das wird man, wenn man geht. Und Achtsamkeit bedeutet Glück, das habe ich vom Buddhismus gelernt, dem ich in Tibet begegnet bin. Vielleicht, so überlege ich jetzt, ist es gar nicht so wichtig, nach was man sucht, sondern dass man sucht.Eines jedenfalls weiß ich jetzt: Dass ich genau jetzt dort bin, wo ich sein und das mache, was ich machen sollte. Und dass alles gut ist und gut wird. Wie du siehst, macht das Wandern etwas mit dir, wenn du es zulässt. Als ich jedenfalls nach ein paar Tagen hier in Glendelough ankomme, bin ich bereits ein anderer Mensch als bei meiner Ankunft in Dublin. Doch der Reihe nach.
Der Wicklow Way – die Hard Facts
Nun, der Wicklow Way beginnt knappe eineinhalb Stunden südlich vor Dublin im Marlay Park. Von hier führt der Weg in südwestlicher Richtung ins Wicklow Hochland, um nach etwa 130 Kilometer im Ort Clonegal im County Carlow zu enden. Der Wicklow Way ist der westlichste Teil des Fernwanderweges E8, der quer durch Europa führt und 7.000 Kilometer später in südöstlicher Richtung an der polnisch-ukrainischen Grenze endet. Was diesen Weg so beliebt macht ist zum einen, dass er idiotensicher ausgeschildert ist. Das kann ich direkt bestätigen. An wirklich jeder Weggabelung erhebt sich ein mit einem gelben Wanderer geschmückter Eisenstab aus der Erde und weißt den richtigen Weg. Der im Jahr 1980 etablierte Wicklow Way ist der erste von heute zahlreichen ausgeschilderten, sogenannten „self guided“ Wanderwegen in Irland überhaupt. Zum anderen ist es die Vielfalt der Landschaft, die einen jeden Tag zu überraschen vermag. Ein Geflecht von teilweise unberührten Bergwegen verbindet alle landschaftlichen Facetten des County Wicklow. Der Weg führt den Wanderer durch dichte Wälder, über Bäche und Flüsse hinweg hinauf ins Hochland, wo der Blick über tiefblaue Bergseen hinweg in die Weite bis zum Meer reicht. Die Tagesetappen enden in den Tälern, wo die wenigen Herbergen und Pubs, die es hier gibt, die Mühe des Tages vergessen lassen und die Einsamkeit des Tages mit Geselligkeit ablösen. Mit dem uralten Klosterdorf Glendalough aus dem 6. Jahrhundert ist dann auch für das Quäntchen Magie gesorgt, denn dieser Ort scheint wie aus einer anderen Welt zu sein. Alles in allem bietet der Weg also alles, was Körper und Geist brauchen, um zur Ruhe zu kommen.
Die Hard Facts auf einen Blick
- Weglänge: Ca. 130 Kilometer
- Zu überwindende Höhenmeter: Ca. 3.000
- Dauer: Durchschnittlich sieben bis zehn Tage je nach Fitness
- Laufrichtung: Von Nord (Marlay Park) nach Süd (Clonegal)
- Gängige Etappen: Marlay – Knockree – Roundwood – Glendalough – Glenmalure – Moyne – Shillelagh – Clonegal
- Wegbeschaffenheit: Zunächst gebirgig, später viele Feldwege und Straßen
Tipps für die An- und Abreise sowie Unterkunft
Die leichte Erreichbarkeit ist eines der schlagenden Argumente für diesen Trail gerade für all jene, die wenig Zeit mitbringen. Start und Ende ist Dublin. Vom Flughafen fahren verschiedene Busse ins Stadtzentrum zur O’Connell Street. Dort steigt man um in einen Bus nach Marlay Park oder eine beliebige andere Ortschaft entlang des Weges, denn der Wicklow Way – auch das ein Vorteil – lässt sich beliebig verkürzen je nach der Zeit, die man hat. Obwohl der Weg traditionell nach Süden gelaufen wird, macht das längst nicht jeder. So mancher beginnt in Clonagal mit dem Vorteil, dass man nicht gleich ins Gebirge hochmarschiert, sondern die ersten Etappe in Tälern zurücklegt und sich auf diese Weise langsam eine Grundfitness für die Berge erarbeitet. Denn dort wird es sichtlich anstrengender. Insgesamt ist die Distanz durchschaubar und die klassischen Etappen orientieren sich an genau jenen wenigen Orten entlang des Weges, in denen es Herbergen gibt. Es empfiehlt sich, die Unterkünfte im Voraus zu buchen, weil diese rar sind und man ansonsten weit entfernt des Weges nächtigen muss. Und diese Wege weg und zurück zum Wicklow Way läuft man stets doppelt, not so nice! Wie schon gesagt lässt sich der Weg auch abkürzen oder in anderen Worten, man muss diesen nicht zwingend bis zum Ende laufen. Von jedem Etappenende aus lässt sich mehr oder weniger leicht die Zugstrecke erreichen, die an der Küste zurück nach Dublin führt.
Tag 1 – Ankunft in Enniskerry
Müssten wir nicht nach Dublin fahren, würden wir das auch nicht machen. Sind sie nicht alle gleich geworden, unsere Städte? H&M hier, Top Shop dort, deswegen sind wir nicht in Irland. Doch als uns der Bus an der O’ Connell Street entlässt, da haben wir ein Stunde in Irlands berühmter Hauptstadt. Wir müssen nicht diskutieren, wie wir diese Stunde verbringen, und zweihundert Meter später, über dem Liffey hinweg, sitzen wir kurz darauf an am Tresen einer Bar, die den Namen Bar verdient, wie eigentlich alle Pubs in Irland. In Irland wird immer getrunken, so sind wir auch jetzt, mittags um zwölf, in guter Gesellschaft. Der in ein schwarzes Hemd gehüllte Kellner fragt uns, welchen der zwanzig Zapfhähne er bedienen soll, und kurz darauf reicht er uns zwei Hopp House über die Theke, ein Pale Ale, wie es sich gehört in Pale Ale Country. Bei uns mag Pale Ale hip sein, dort kommt es her, dort wird es gelebt. Nicht erst jetzt, sondern immer schon. Und dann stoßen wir an auf unser Wiedersehen und unseren bevorstehenden Trip. Ein Jahr zuvor radelten wir den Connemara Loop im äußersten Westen des Landes. Die Pedale haben wir dieses Jahr gegen Rücksäcke und Wanderschuhe ausgetauscht, bereit für die absolute Entschleunigung. Und als wir wieder in der zweiten Etage des Busses sitzen, da schlägt unser Herz immer ruhiger, je weiter wir aus der Stadt heraus gen Süden fahren, hinein in das Wicklow Hochland.
Marlay Park und die suburbane Dubliner Parklandschaft haben wir übersprungen, aus Zeitgründen. Enniskerry ist die zweite Etappe des Wicklow Ways , liegt jedoch ein gutes Stück östlich des Weges. Wir haben das Enniskerry Inn in dem hübschen viktorianischen Städtchen gebucht, weil die einzige Herberge in dieser Gegen direkt am Weg ausgebucht war, was leider, ganz gleich an welcher Etappe, oft so ist. Aber ein paar Kilometer entfernt des Weges findet man immer ein Städtchen wie dieses hier. Wir parken unsere Rucksäcke im Hotel und machen uns auf, den Ort anzuschauen, trotz einsetzendem Regen. Wir finden einen kleinen Supermarkt und nutzen die Gelegenheit, uns gleich für den morgigen Tag mit Wanderproviant einzudecken. Eine fantastische Konditorei, ein kleiner, schnuckeliger Antiquitätenladen, das obligatorische Pub, Enniskerry hat trotz seiner Beschaulichkeit einiges zu bieten. Dann zieht die Kirche meine Aufmerksamkeit auf sich. Wir treten hinein, und das steinerne Äußere wird abgelöst durch einen Teppichboden und ein hölzernes Inneres. Wie freundlich und warm eine Kirche doch wirken kann, denke ich. Dann fällt mein Blick auf einen Text, der vor mir an der Wand hängt, ein Gebet für die Familie, welches ich nicht kannte und mir sehr gut gefällt. Ich teile es gerne mit dir, weil es so schön ist:
Prayer for Family life
Dear Lord, with Mary and Joseph, you have lived within a Family,
Teach me always to appreciate the precious gift of being part of a family.
Show me ever new ways to protect and comfort those closest to me, and
Let me, each day, do something that will say “I love you” without speaking the words.
But remind me also to frequently say those words.
Let me never part from any member of my family in anger.
Prompt me always to turn back without delay – to forgive, and be forgiven.
And let me see your image within each person
in my own family, and in my greater family,
Knowing that in your Kingdom, we will truly be one family,
United by your sacrifice on the cross.
Amen.
Zurück im Enniskerry Inn setzen wir uns ans Kaminfeuer des hasueigenen Restaurants und bestellen, wie es sich gehört, Fish & Chips, die alsbald in Perfektion serviert werden. Erbsenmuß, Essig, Mayo, Ketchup und der frittiere Kabeljau, ein Gedicht, trotz seiner Einfachheit. Ich schaue mein Gegenüber an und sage: „Hey, das sind die besten Fish & Chips, die ich je gegessen habe!“ Noch vor neun Uhr liegen wir in unseren gemütlichen Betten, und während der Regen gegen das Fenster prasselt, schlafen wir ein, voller Vorfreude auf die erste Wanderetappe, die uns erwartet.
Tag 2 – von Enniskerry nach Roundwood
Der Wecker bimmelt um 6 Uhr. Unsere Wandermontur haben wir in Nullkommanichts angezogen und nach dem obligatorischen Kaffee lassen wir mit unseren großen Trecking-Rucksäcken die Zivilisation hinter uns. Enniskerry verschwindet hinter uns im Morgendunst, und vor uns erheben sich die ersten sanften, teilweise mit Schnee bedeckten Hügel des Wicklow-Gebirges. Gute zwanzig Kilometer liegen zwischen uns und unserem Etappenziel Roundwood. Das scheint zunächst nicht viel, mit einigen Kilos auf der Schulter ist die Strecke allerdings auch nicht zu unterschätzen.
Über Äcker, Wiesen und die letzten Feldwege erreichen wir den Wald. Ein gelber Wandersmann auf einem Stahlpfosten gibt uns zu verstehen, dass wir richtig sind. Dieser Gelbe Mann wird uns begleiten, vom Anfang bis zum Ende, wird uns erwarten an jeder Weggabelung. Auf ihn ist immer Verlass. Weiter geht es entlang eines Flusslaufes und schließlich die erste Anhöhe hinauf. Beim Anblick des Powerscourt Waterfalls, der sich gegenüber einem majestätischen Tal den Hang hinunterwirft, machen wir die erste Rast. Danach geht zunächst noch einmal hoch hinauf und der breite, für Forstfahrzeuge dimensionierte Weg wird endlich durch einen schmalen Pfad abgelöst, der uns auf den Grat der Anhöhe bringt.
Als wir auf der anderen Seite wieder hinunter gen Tal marschieren, ist der Wald dem blanken Gestein gewichen. Die tiefste Stelle des Tals wird durch einen Fluss durchschnitten, und der Blick in die steil aufragenden Berge ist grandios. Doch wo es runter geht, geht es wieder hinauf, und diesmal richtig. Ehe wir uns versehen, marschieren wir durch 20 cm tiefen Schnee, dann 30 cm, und irgendwann ist alles um uns herum ein weißes Nichts. Der mittlerweile eigetretene Nebel lässt die Sicht auf 20 Meter sinken. Wir haben Glück, Fußspuren folgen zu können, ansonsten wäre der Weg nicht mehr erkennbar. Unser Weg führt uns am Gipfel des 720 Meter hohen Djouce vorbei, schnurstracks auf den White Hill. Dieser ist mit 630 Metern zwar niedriger, macht seinem Namen aber alle Ehre. Ganz ehrlich bin ich froh, hier gerade nicht allein zu sein. Die Sicht ist Null, alles weiß, sehr kalt und es ist auch noch windig ohne Ende. Da wird manch einer schon einmal panisch, weil man an einem Tag wie heute auch nichts sieht. Zudem führten die letzten Kilometer über sehr schmale, kaum noch erkennbare Pfade mit mindestens 40 cm Schnee. Jetzt weißt du auch, warum die folgenden Sicherheitstipps für den Wicklow Way nicht irgendwo her kommen:
- Den Weg nicht alleine gehen. Hilfe ist in der Regel weit weg
- Kleidungsmäßig für alles gewappnet sein, vom Sonnenschein über Starkregen bis hin zum Schneesturm
- Notwendiges Equipment: Kartenmaterial und/oder Kompass, genug zu essen, Taschenlampe, evtl. eine Pfeife, Telefon
- Wetterbericht im Auge behalten
- Lasse jmd. wissen, wo du gerade steckst
Nach dem Gipfel wird es einfacher, und über einen deutlich sichtbaren Steg (zum Schutz der Landschaft) arbeiten wir uns wieder hinunter. Und so schnell der Schnee gekommen ist, so schnell weicht er auch wieder den ersten Wiesen, den Bäumen und schließlich dem pechschwarzen Bergsee Logh Tay, der hinter einer Landstraße auftaucht, der wir nach einer kurzen Rast folgen. Die Straße führt stetig bergab in Richtung Roundwood, das hübsch von zwei Seen flankiert in einem weiten Tal liegt.
Bevor wir den Ort erreichen, schlagen wir noch einen Feldweg ein. Irgendwo hier im Nirvana muss unser B&B liegen, welches uns sicherlich bereits erwartet. Und tatsächlich finden wir hier mitten in der Idylle ein einsames Häuschen, um das Schafe grasen, und damit unsere Unterkunft für die Nacht. Nach der verdienten Dusche statten wir dann Roundwood einen Besuch ab und finden uns wieder n der Theke des Highest Pub in Ireland. Denn – Roundwood nennt sich mit 240 Metern Höhe höchstes Dorf der grünen Insel. Dort lernen wir, dass Pubs mehr Wohnzimmer als Bars sind. Was in Italien der Piazza ist, ist hier das Pub. Man trifft sich, hilft sich, bringt sich auf den aktuellen Stand. Das Restaurant unserer Wahl ist direkt gegenüber. Und nachdem ich dort in den Genuss des besten Risottos meines Lebens komme (auch das ist nicht gelogen), tragen uns unsere müden Beine in unser B&B und eine Sekunde, nachdem ich mich hinlege, schlafe ich wie ein Murmeltier.
Tag 3 – von Roundwood nach Glendalough
Die zweite Etappe steht an. Da diese mit knappen zehn Kilometern wesentlich kürzer als die gestrige ist, genießen wir ein langes Frühstück und sind erst gegen halb neun unterwegs. Die Etappe ist deshalb so kurz, weil sie Zeit für die historische Stätte Glendalough einräumt. Um es gleich vorab zu sagen. Ich würde jedem den Tipp geben, ein bis zwei Stunden in Glendalough zu verbringen, aber im Anschluss direkt weiter nach Glenmalure zu wandern und dort zu übernachten, weil die Strecke nach Glendalough einfach zu kurz ist und man um ehrlich zu sein auch nicht mehr als zwei Stunden in Glendalogh benötigt. Das nur nebenbei.
Zunächst wandern wir die idyllische Landstraße wieder hinauf, über die wir gestern Roundwood erreichten, um wieder zurück auf den Wicklow Way zu gelangen, und befinden uns wieder abseits der Zivilisation. Zunächst geht es auch gleich zwei Stunden hoch hinauf in einen von Holzfällern übel zugerichteten Wald, und hierzu muss ich einfach ein paar Worte verlieren.
Ein Großteil des Waldes, den wir auf dieser Etappe des Wicklow Ways sehen, ist grauenhaft verunstaltet. Eine Tannen-Monokultur, gemacht von Menschenhand und ohne jegliches Überbleibsel echter Natur. In anderen Worten: Hier pfeift kein Vögelchen mehr! Als wir hier entlang wandern, bekommen wir den Eindruck, dass hier erst kürzlich Tabula Rasa gemacht wurde. Hier sieht es aus wie im Endzeitfilm Mad Max. Ganze Berghänge sind kahlrasiert. Lediglich die Baumstumpfe sind noch zu sehen wie Bartstoppeln nach einer Rasur. Das hier ist eine Tragödie! Später auf dem Weg werden wir Umweltschützern begegnen, die uns darüber aufklären, dass die Art der menschlichen Einflussnahme auf die Natur hier mafiaösen Strukturen geschuldet ist. Sprich: Es geht um das Übliche – um Geld. Aus meiner Sicht ist damit nicht nur die Natur bedroht, sondern auch der Wicklow Way, der an Attraktivität sichtlich einbüßt.
Aus dem Wald heraus, gelangen wir auf eine alte Landstraße, welche wir wiederum später verlassen, um Feld- und Wiesenwegen zu folgen. Über einen langen und steilen Anstieg durch ein weiteres Hölzfäller-Massaker gelangen wir zur Brushers Gap Hut, eine von drei Hütten dieser Art auf dem Weg, wo wir eine Rast einschlagen. Und als ich in mein Käsebrötchen reinbeiße, fällt mein Blick auf ein Gedicht, dass an der Wandhängt. Und weil es mir so gut gefällt, verbreite ich hiermit die Worte von Tony Whelan in den großen Weiten des WWW: Tony, wer du auch bist, wo du auch bist, das hast du schön geschrieben. Nur den Holzfällern hättest du eine Passage widmen sollen!
The Wicklow Way (a pathway through God’s garden)
From Dublin’s Marlay Park to Osbpurnes’s Pub in Clonegal
Took the high roads, followed the Trails rise and fall
we strolled over hills, stepped into valley of slendour
Breath’s taken, full mind, full heart, so much to rememer
As forests whisper to translate the breeze
Clouds greet eaach other while the sun plays the tease
Stacked fresh felled trees feel the need to downhill
Wild water beneath food, river obeys it’s own will
Feet grow weary, but our spirit is strong
no pathwy too steep, no climp ist too long
And so our reward, to sense were not alone
For to create such beauty, God must have known
Tony Whelan
Nach der Hütte geht es weiter auf den offenen Berg und wir werden belohnt mit einem gigantischen Blick über das Glendalough-Tal. Der Abstieg führt uns über sattgrüne mit Blumen geschmückte Wiesen. Schließlich gelangen wir an eine Landstraße, der wir bis in den Ort Laragh folgen, wo wir in unsere Unterkunft einchecken. Laragh befindet sich im Herzen des Wicklow-Hochlandes und verdankt seinen lebendigen Charakter der Nähe zu Glendalough.
Nach einem Besuch im besten Café auf der Strecke (direkt am Ortseingang zu Laragh) möchten wir den Rest des Tages nutzen, um uns das berühmte Glendalough anzuschauen. Dabei handelt es sich um die Ruinen einer im 6. Jahrhundert gegründeten Klosteranlage, die zu den wichtigsten Stätten diese Art in Irland gehört. Neben einem Rundturm lässt sich hier u.a. ein Priesterhaus, ein Granitkreuz oder Kirche des heiligen Kevin bestaunen. Die Anlage ist umgeben von uralten Grabsteinen und einer herrlichen Landschaft. Da ein plätschernder Bach, dort die bewaldeten Berge und Wiesen, in denen Schafe grasen. Und genau hier finde ich das kleine, liebevoll handgeschriebene Zettelchen, das irgendwie für mich bestimmt ist „Relax – you’re exactly where you’re meant to be. It’s all going to work out better than you could ever imagine!”
Ja, so ist es! Bevor wir uns zurück nach Laragh begeben, wo wir den Abend im Restaurant ausklingen lassen werden, unternehmen wir noch einen Spaziergang um den nahegelegenen kleinen Bergsee herum. Wie gesagt, würde ich jedem anraten, direkt weiter nach Glenmalure weiter zu marschieren, statt die Nacht in Laragh zu verbringen.
Tag 4 – von Glendalough nach Glenmalure
Die anstehe Etappe ist erneut eine kurze. Knappe fünfzehn Kilometer möchten zurückgelegt werden, wofür wir in ganz gemütlichem Gang etwa vier bis fünf Stunden brauchen sollten. Erneut passieren wir das märchenhafte Glendalough, das in der Frühe im Morgendunst noch mystischer aussieht als ohnehin schon, und erreichen einen großen Bergsee. Über eine Brücke überqueren wir den Fluss Glendasan und folgen dem Verlauf eines Wasserfalls, der sich hier eindrucksvoll in die Tiefe wirft. Und nachdem wir das Tal hinter uns lassen, geht es mal wieder hoch hinauf. Fünf Kilometer hinauf mit einem Rucksack auf dem Rücken möchten erst einmal geschafft werden, denn der Weg zieht sich und zieht sich. Auch hier möchte ich nicht verschweigen, dass hier großflächig Raubbau an der Natur betrieben wurde. Ganze Berghänge – niedergemacht von riesigen Sägen. Schließlich stehen wir auf der guten 650 Meter hohen Schulter des Mullacor.
Hinter uns liegt das Tal Glendalogh, aus dem wir aufstiegen, vor uns die Ebene von Glenmalure. Der Anblick ist wunderschön. Weit und breit kein Mensch, ein idealer Ort für eine Rast. Wir legen unsere Rucksäcke ins Gras und lassen uns unser Mittagessen schmecken. Der Wanderer kennt keine Eile, und Orte wie diesem hier muss man Zugang gewähren bis in die Seele hinein. Der Weg ist das Ziel, das muss man lernen, und wir haben das gelernt! Ein hölzerner Steg führt uns noch eine Weile am Grat entlang, bevor wir wieder hinab ins Tal wandern und unser Ziel für den Tag erreichen – Glenmalure.
Der Ort liegt da wie eine Postkarte. Eine alte, steinerne Brücke, ein Bachlauf und Schafe, die in dem Moment, als wir auf die Bühne treten, sofort Alarm schlagen. Einzige Unterkunft hier ist die Glenmalure Lodge, die auch gleichzeitig ein Restaurant betreibt. Eine echte Wahl hinsichtlich Unterkunft hat man also nicht. Nach dem Einchecken – es ist noch früher Nahmittag – beschließen wir, noch eine Wanderung zu einem nahegelegenen Wasserfall zu unternehmen. Dort angekommen, machen wir Rast auf einem großen Felsen und lauschen dem Wasser. Wir sind genügsam geworden, mehr als das hier braucht es nicht!
Tag 5 – von Glenmalure nach Moyne
Dies ist unsere letzte Etappe und damit ist auch gleich gesagt, dass wir das Ende des Wicklow Ways nicht erreichen werden. Letztlich spielt dies jedoch keine Rolle, es sei denn für jenen Wanderer, der Wert auf Statistik legt, was wir jedenfalls nicht tun. Letztlich handelt es sich bei der Strecke zwischen Enniskerry und Moyne – also unsere Wegstrecke – um die Durchquerung des Wicklow-Gebirges. Das Herz des Weges, wen man so will. Der heute Weg wird uns aus der Gebirgswelt entlassen und hinaus führen in die wunderschönen Täler, ein toller Abschluss also! Die letzte Wegstrecke, also jene, die ab Moyne beginnt, beinhaltet zu einem großen Teil das Wandern auf befahrenen Straßen, und darauf können wir gut und gerne verzichten.
Mit knappen 21 Kilometern gehört die Wegstrecke nach Moyne zu den längeren Etappen des Wicklow Ways, weswegen wir entsprechend früh auf den Beinen sind. Es geht wieder mal ordentlich nach oben auf den 600 Meter hohen Slieve Maan. Die Wegstrecke heute ist wahrlich einer der schönsten, denn sie führt uns über schmale Pfade durch einen verwunschenen Zauberwald, dessen Grund gänzlich mit Moos bewachsen ist. Nach dem Abstieg ins Tal geht es erneut hinauf, um den hohen Bergrücken des Carickashane Mountain herum bis zur Mucklagh Hütte. Es hat zu regnen begonnen und die Hütte kommt wie gerufen. Auf halbem Weg gelegen, lehnen wir die Rucksäcke an die Wand und lassen die Zeit vergehen. Die Zeit, sie scheint ohnehin nicht mehr zu existieren in diesen Wäldern.
Der Abstieg hinunter zur Iron Bridge ist unser letzter. Hier treffen wir im Übrigen die zwei vorhin erwähnten Umweltschützer der Organisation Woodlandleage, die gerade dabei sind, liebevoll Setzlinge einzupflanzen. Wir kommen ins Gespräch und sie geben uns die Antworten darauf, was wir uns die ganze Zeit fragen: Wie zur Hölle kann man nur so rabiat mit so einer tollen Landschaft umgehen. Warum werden ganze Bergrücken platt gemacht und warum sind überall Monokulturen in Form von Tannenwäldern, in denen kein Vogel mehr pfeift. Wie immer hat es etwas mit Korruption und mit Geld zu tun und die Jungs von Woodlandleage setzen dem etwas entgegen. Bei den Setzlingen, die sie einpflanzen, handelt es sich um heimische Arten, die man heute leider vergebens sucht. So soll wieder ein Mischwald entstehen. Ein Wald, wie die Natur ihn hier vorgesehen hat. Es bricht uns fast das Herz, scheint dies doch ein Kampf gegen Windmühlen zu sein. Ich möchte jeden Wanderer des Wicklow Ways an dieser Stelle ermutigen, ja auffordern, einen Beitrag an Woodlandleage zu spenden. Wir, die wir hier wandern, müssen etwas tun für den Erhalt dieses Weges, es ist unsere Pflicht!
Durch ein letztes Tal bahnen wir unseren Weg hinaus aus den letzten Bergen des Hochlandes und vor uns breiten sich die sanften, grünen Hügel des County Carlow aus. Über alte Landstraßen durchstreifen wir diese Landschaft, die irischer nicht sein könnte. Grün, wohin man auch sieht, hier und da eine Schaf-Farm und der obligatorische, bellende Hund. In Moyne erreichen wir unsere Unterkunft für die Nacht, und bei einem Bierchen lassen wir das Erlebte Revue passieren. Am nächsten Morgen nehmen wir ein Taxi zum Bahnhof, von wo wir mit dem Zug nach Norden fahren. Links von uns das Wicklow-Massiv, rechts das Meer, und vor uns Dublin. Auf Wiedersehen, Irland.
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8 Kommentare
Heike aus Häschde ;)
Lieber Martin,
ich bin ganz neu auf deinem Blog.
Super schön und höchst interessant. Hatte mich hin und wieder mal gefragt , wo es dich hin verschlagen hat. Toll , bin sehr begeistert darüber wie du dein Leben führen kannst. Btw- Ich war einen Monat nach deinem Aufenthalt in Irland. Herrlich!
Ich grüsse dich ganz herzlich.
MaSan
Liebe Heike,
danke fürs Vorbeischauen, das freut mich sehr! Wo warst du denn genau? Es wird mich sicherlich bald wieder auf die grüne Insel verschlagen, sehr wahrscheinlich mit meinen Wanderschuhen im Gepäck (-; Liebe Grüße
Alexander Schäfer
Recht vielen Dank für den wertvollen Beitrag!
Lesenswert Blog.
MaSan
Sehr gerne doch! Ich habe im Übrigen mit Freunden im letzten Jahr auch eine ganz tolle Fahrradtour im Westen der Insel gemacht. Mit Freunden sind wir in Galway gestartet und sind den Connemara Loop geradelt. Bei Interesse, anbei der Link zum Artikel! Hast du in Kürze vor den Wicklow Way zu wandern?
Liebe Grüße
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