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Sandra Mastropieto: Läuferleben (Buchrezension)

„Von Freude und Schmerz – Gedanken über den schönsten Sport der Welt“, lautet der Subtitel dieses kleinen, tollen Büchleins. Die Autorin ist ASICS Frontrunnerin und wurde im Jahr 2013 zur Hobbyläuferin des Jahres gekürt – ja, es gibt wirklich für alles eine Auszeichnung. Vielleicht werde ich ja mal Freizeitblogger des Monats Juni 2017 oder so! Ok, Schluss jetzt, das Buch ist ein Good Read für uns Läufer, weil es kein Lehrbuch ist, sondern vielmehr den Spaß an unserem Hobby feiert.

Laufen
Warum laufe man eigentlich und, was mache man denn dabei die ganze Zeit? Typische von verständnislosen Blicken gefolgte Fragen, die sich nach Sandra Mastropieto jeder Läufer oder Läuferin des Öfteren gefallen lassen muss und auf die sie schon gar nicht mehr reagiert. Als leidenschaftliche Läuferin kennt Sie die passenden Antworten selbstverständlich. Laufen sei viel mehr, als einen Fuß stupide vor den anderen zu setzen, was sich viele Nichtläufer unter unserem Sport manchmal vorstellen. Laufen sei ein großartiger Sport. Einer der wenigen, der sich an die individuelle Stimmung eines Menschen anpassen könne. Mal könne man das Leben entschleunigen, zum Beispiel nach einem langen Arbeitstag. Und mal könne man sich durch einen Tempolauf so richtig auspowern und den Kreislauf ankurbeln, die Schritte beben lassen, freudig sein. Ganz egal, bei welchem Wetter. Durch das Laufen könne man dem Informations-Overkill entfliehen und die Stille genießen, in seinen Erinnerungen kramen, seine Gedanken hören, so manchen schönen Moment im Leben noch einmal durchleben und verlorene Informationen wiederfinden. Andererseits könne man bewusst atmen und regelrecht spüren, wie sich Endorphine, Energie und Vitalität im Körper ausbreiten. Eine weitere Möglichkeit sei es, sich einfach mal entspannt einem Hörbuch oder Musik zu widmen. Beim Lauf würde einerseits das Stresshormon Cortisol abgebaut, dass sonst den Körper auf Flucht vorbereite, und andererseits Glückshormone ausgeschüttet, was besonders bei aktiver Bewegung an frischer Luft der Fall sei. Und nach dem Lauf komme man mit einem freien Kopf wieder zu hause an und fühle sich großartig. In jedem Fall sei Laufen nichts weniger als aktive Lebensqualität, nichts daran sei langweilig. Besonders schön an dem Sport sei auch, dass man ihn alleine für sich oder gemeinsam mit anderen, je nach Stimmungslage, betreiben könnte. Die Gemeinsamkeit bei einem Wettkampf, mit anderen gemeinsam zu lachen oder zu leiden, seine Begeisterung an andere weiterzugeben, seien wunderbare Facetten des Laufens.

Laufschuhe
„warum meinen alle, dass ihre Ernährung und Lebensweise die einzig richtige ist?“ Bild: Pixabay

Fitnesswahn
Laufen sei ‘in’ und erlebe ein nie da gewesenes Hoch. Der Sport wäre regelrecht ein Lifestyle und sei in letzter Zeit gar elitär geworden. Die neueste Uhr, ein perfektes Outfit und regelmäßige Updates auf sozialen Netzwerken nähmen manchmal Überhand. Fragen über Ernährung würden sich überschlagen, Clean Eating sei das neue Must-Do! „Doch“, so fragt Mastropieto, „warum meinen alle, dass ihre Ernährung und Lebensweise die einzig richtige ist?“ Und warum müsse man denn unbedingt immer schneller werden? Man solle die Sache nicht so verbissen sehen, sonst verliere man den Spaß daran. Es ist gut, was die Autorin da schreibt, denn sie hat recht. Viel wichtiger sei doch das Wohlfühlen! „Tut es für euch,…und vergesst das Genießen nicht!“ Und unter gar keinen Umständen sollte man sich anmaßen, überheblich zu sein. Nein, warum besinne man sich nicht darauf, was dieser Sport eigentlich sei, nämlich im Einklang mit sich und seinem Körper zu sein. Für sie sei Laufen eine Leidenschaft und Lebenseinstellung, eine regelrechte Reise zu sich selbst.

Höhen und Tiefen
Heikel bzw. kritisch sei der Sport besonders für Laufanfänger. Viele würden ja mit dem Laufen anfangen, um sich selbst zu beweisen, dass sie es noch können. Man erlebe Höhen und Tiefen, und während man zu Beginn regelrechte Steigerungsschübe erlebe, zunächst 5, dann 10 Kilometer laufe und letztlich gar an einem Halbmarathon teilnehme, stelle sich irgendwann die Leistung ein, Diese Phase gelte es zu überstehen, die Ruhe und Motivation zu bewahren, nicht einfach hochpulsig drauflos zu laufen und einfach am Ball zu bleiben. Sich bei einer Laufveranstaltung anzumelden, einer Gruppe anzuschließen oder mit Freunden zu laufen, könne helfen, diese Phase zu überwinden. Sei der eine schneller als der andere, könne der schnellere Läufer eben seinen langsamen Dauerlauf mit dem Tempotraining des langsamen Läufers kombinieren. Über Wochen und Monate hinweg gewöhne sich der Körper an den Sport, der zu einem festen Bestandteil des Lebens werden könne.

Läufer
„Der Schmerz geht, doch der Stolz bleibt“ Bild: Pixabay

Laufend um die Welt
Die Autorin hat die Laufreise für sich entdeckt und es ist wirklich beeindruckend, an wie vielen Wettkämpfen sie überall auf der Welt teilgenommen hat. So schildert sie die Höhen und Tiefen von Läufen wie dem Jerusalem-Marathon, die dabei vergossenen Tränen und High Fives mit den Zuschauern, die letzten, langen Kilometer. Sie erzählt vom unglaublichen Marathon in Berlin und der fantastischen Stimmung, von Läufen in der Nacht und gar Ultramarathons wie dem 120 km Tierra Arctic Ultra in Schweden, bei dem ihre Freundin, beide sind über 30 Stunden unterwegs, gar Halluzinationen erleidet. Dabei schreibt sie auch vom Umgang mit den Gedanken bei solchen Läufen – „wo wandern deine Gedanken denn jetzt schon wieder hin?“ Und auch über die Frage des Warums: „Was zum Henker machen wir hier eigentlich?“ fragt sie sich einmal bei einem Mitternachtslauf. Warum also 120 km durch die Weite Schwedens laufen? Es ginge darum, schreibt sie, durch Kampfgeist und Willen die Distanz zu besiegen, zusammen mit anderen humpelnd, laufend, gehend das Ziel zu erreichen. Es sei das Extreme, das sie besiegen wolle. Grenzen zu erreichen, um sie dann zu verschieben. Mut, an den Start zu gehen, sich der Herausforderung zu stellen. Geschafft zu haben, was andere nicht mal wagen zu denken. „Der Schmerz geht, doch der Stolz bleibt“. Es sei diese Gemeinschaft, die der Sport mit sich bringe, und die vielen Eindrücke, die sie aufsauge, ganz bewusst und ohne Handyzwang.

Vom Sekundenjäger zum Genussläufer
Es gebe Läufer, schreibt sie, die mit der Zeit einfach zu verbissen seien und keine Freude mehr am Sport ausstrahlen würden. Lange habe sie selbst vergebens versucht, die 4-Stunden Marke beim Marathon zu brechen. Doch, „Enttäuschung ist das Ziel falscher Erwartungen.“ So fing sie an, Läufe ohne Zeiterwartung anzugehen, ohne Druck und ständigen Trainingsplan zu laufen, echte Erlebnisse in den Fokus zu setzen, statt Bestzeiten hinterher zu hecheln. Es käme darauf an, sich realistische Ziele zu setzen bzw. diese den eigenen Lebensumständen anzupassen und manchmal das eigene Tun zu hinterfragen.

Laufschuhe
“Wo wandern deine Gedanken denn jetzt schon wieder hin?“ Bild: Pixabay

Fazit
Es ist großartig, dass eine Autorin einfach einmal den Spaß am Laufen vermittelt, statt sich im Detail über Trainingsmethodik zu verlieren. Trotzdem bekommt man einiges an Tipps und Erläuterungen zum Thema Ernährung – so hat sie sich versuchsweise vegan ernährt und schildert uns ihre durchweg positiven Erfahrungen, zudem listet sie eine Reihe veganer Wettkampfgerichte auf – und Grundlagen zum Training. Ihre Message, den Sport nicht mit Verbissenheit anzugehen, kommt an. Mastropieto nimmt uns regelrecht mit auf ihre abenteuerlichen Läufe in aller Welt und erweckt diese zum Leben. Ihre Erläuterungen ihrer vielen Läufe, vor allem der Ultramarathons, kann man einfach nur bestaunen. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass es im Gegensatz zu ihrer Aussage, stets mit Spaß an die Sache heranzugehen, doch stark den Eindruck macht, dass sie panisch von einem Wettbewerb in den anderen flüchtet, teilweise ohne richtige Vorbereitung. Ebenfalls Hobbyläufer und ab und an Wettbewerben teilnehmend, habe ich hier eine andere Meinung. Ich bin der Ansicht, man sollte lieber weniger Wettbewerbe gut vorbereitet laufen statt unzählige auf Halbgas. Den Rest der Zeit kann man ganz entspannt als Genussläufer unterwegs sein, ganz ohne Wettbewerb. Das ist nur meine Meinung und sicherlich nur ein kleiner Kritikpunkt eines ansonsten sehr gelungenen Büchleins über den Laufsport.

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