John Crawford – The last true story I’ll ever tell (Buchrezension)
Im Frühjahr 2003 stürmen US Marines Bagdad, um als Helden in die Heimat zurückzukehren. John Crawford kommt zeitgleich mit den National Guards im Land an mit der Aufgabe, in der Stadt zu patrouillieren und für Ordnung zu sorgen.„Warriors were replaced by occupiers!“ Crawford schildert seine Zeit in Bagdad, in der jeder einzelne Tag ein Kampf gegen die Hitze und den Sand ist. Ein Kampf, die Gesichter der Familie nicht zu vergessen, die jeden Tag ein Stück mehr verblassen. Vor allem aber ein Kampf mit sich selbst, die eigene Moral in einer Welt zu erhalten, in der Vergewaltigung und Mord alltäglich sind.
Ungewollt in Bagdad
Eigentlich wollte John Crawford nie in den Krieg ziehen: „This was a war I didn’t believe in.“ Als Student der Florida State University ist er auch Mitglied der National Guard Unit aus dem einzigen Grund, dass diese Organisation finanziell für seine Ausbildung aufkommt und er wenig mehr zu tun hat, als zwei Wochen im Jahr dort präsent zu sein. Nur zwei Credits trennen ihn von seinem Abschluss, als der Irakkrieg ausbricht und er eingezogen wird. Plötzlich muss er sich von seiner Frau, Familie und Freunden verabschieden und in einen Krieg ziehen, an den er nicht glaubt und dessen Ursachen nicht kennt. Zusammen mit der 101st Airborne Division landet er in Kuwait, um nach Bagdad vorzumaschieren. Als er dort ankommt, haben die Marines bereits eine Schneise des Todes durch die Stadt gezogen. Überall liegen Tote auf der Straße, und die Iraker empfangen sie nicht klatschend als Befreier, sondern mit Ablehnung und Hass. „Everywhere I looked, wild eyes glared at me and threatened violence.“ Während andere Einheiten nach Hause geschickt werden, wird die National Guard Unit immer weitergereicht, um eine Einheit nach der anderen abzulösen. Drei Monate, so lange sollen die Männer eigentlich bleiben, vergehen wie im Flug, um bald denkt niemand mehr an Heimkehr. Die sie umgebende Armut ist verstörend: „It amazed me, that anyone could live in the condition they were in.“
Blood everywhere
In Bagdad ist Crawfords Einheit damit beschäftigt, tagein tagaus für Sicherheit in der Gegend zu sorgen. Bei sengender Hitze durchstreifen die Männer mit schwerer Panzerung die staubigen Straßen oder bewachen Tankstellen, zu denen endlose Autoschlangen für einen Kanister Benzin einreihen. Sie schützen Banken und durchsuchen Häuser, und obwohl man es sich nicht leisten kann, unachtsam zu sein, kommt der Augenblick, an dem man es dann doch ist. „In the street I saw pools of blood. Blood everywhere.“ Immer wieder wird auch die Unterkunft der Soldaten attackiert, und aus scheinbar harmlosen Situationen entstehen regelrechte Massaker. Dann die Telefonate nach Hause. Wie der Frau erklären, dass man gerade die Gehirnreste von mehreren Toten beseitigt hat? Familien zerbrechen, und Gespräche verstummen, weil man nicht weiß, wie man das beschreiben soll, diese ganze Scheiße, die zu Hause sowieso niemand versteht. Bagdad wird zu ihrer Heimat: „It became our town, our block, our home.“
Unfähige Führung
Zugleich ist es auch eine Abrechnung über die Unfähigkeit der Befehlshaber: „They carry pens as they talk, whereas I carried a machine gun.“ Die Männer wollen nichts anderes, als nach Hause zu gehen, für die vielen Führungskräfte aber geht es um Karriere und dieser Krieg gibt ihnen die Möglichkeit, sich zu beweisen. So führen nun unfähige Führungskräften mit wenig Erfahrung ihre Soldaten zu Selbstzwecken in unnötige Gefechte. Auch zwischen den Einheiten gibt es wenig Gegenliebe. „Third Infantry Division didn’t give a shit about us or we them.“
Nicht zum Tier werden
Crawford macht hier und da Bekanntschaften, mal mit einem Jungen, mal mit einem Mann von der Tankstelle namens Whalee. Irgendwann kommt jedoch immer der Zeitpunkt, an dem die Menschen verschwinden, ihre Häuser brennen oder sie sterben. So verlieren menschliche Werte ihren Bestand: „We had already lived too many of those moments to give a fuck about anything except ourselfes.“ Crawford schildert auch die Probleme, die ihn erwarten, als er tatsächlich nach einem Jahr nach Hause kommt. Freunde wollen Kriegsgeschichten hören und wenden sich entsetzt ab, als er die Geschehnisse aufrichtig schildert. „The last true story I’ll ever tell“ verdeutlicht dem Leser diesen Krieg, nicht von oben, sondern aus der Sicht eines Soldaten, der den Mut hat, seine Geschichte zu erzählen, auch wenn sie weh tut.
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