2016 – Das Jahr des Affen
Neujahr naht im Galopp. Was, Neujahr? Ja genau, das chinesische Neujahr nämlich. Am achten Februar werden die Lichter in den Häusern quer durch China die ganze Nacht hindurch brennen. Die Fenster werden offen stehen und bei geselligem Zusammensein knallrote Umschläge den Besitzer wechseln. Über eine Milliarde Menschen werden sich in diesen Tagen in Bewegung setzen und die größte Migrationswelle bilden, die es auf dem Planeten gibt. Ein Artikel über das chinesische Neujahrsfest und allem, was dazu gehört.
Böse Geister und jede Menge Glück
Am 08. Februar diesen Jahres wird ein Neumond über dem Himmel schweben und gemäß dem traditionellen Bauernkalender das neue Jahr einleiten. Auf den ersten Neumond eines jeden Jahres kommt es an, und der fällt, je nachdem, immer zwischen den 21. Januar und den 21. Februar. Das Neujahrsfest fällt also jedes Jahr auf ein anderes Datum. Obwohl seit Mitte des 20. Jahrhunderts der gregorianische Kalender in ganz China seine Gültigkeit hat, feiern Chinesen auf der ganzen Welt ihr Fest nach dem sogenannten Lunisolarkalender. Das Neujahrsfest steht ganz im Sinne der Familie und Menschen im ganzen Land setzen sich in diesen Tagen in Bewegung, um nach Hause zu fahren, das in vielen Fällen hunderte, gar tausende Kilometer entfernt liegt. Die meisten nehmen dafür ihren gesamten Jahresurlaub in Anspruch. Weit mehr als 200 Millionen Wanderarbeiter strömen von den reichen Städten der Ostküste, wo sie tagein tagaus die Welt von Morgen erschaffen (ohne dafür jegliche Anerkennung zu bekommen), in die Dörfer ihrer Heimatprovinz, wo sie die zurückgebliebenen Großeltern besuchen, die in vielen Fällen auf die Kinder aufpassen. Fast zwei Milliarden Einzelreisen werden so Jahr für Jahr gebucht und belegen die größte Menschenbewegung des Planeten mit Zahlen.
Rot, Haare und Küchengötter
Gefeiert wird nicht nur in China, sondern in ganz Ostasien, in Korea, Taiwan oder auch Japan. Und auch weltweit erwachen die Chinatowns in den Metropolen, in New York, London, überall dort, wohin Chinesen in Folge der Kulturrevolution geflohen und sesshaft geworden sind. Schon Wochen vorher werden die Haustüren mit roten Spruchbändern dekoriert, jene Farbe, die für Glück und Wohlstand steht. Das Haus wird geputzt und Lampions aufgehängt, rote Lampions selbstverständlich. Rot deswegen, weil der Jahresdämon namens nian auf Rot gar nicht gut zu sprechen ist und davor davon läuft. Alles wird noch einmal rundherum erneuert. Die Leute kleiden sich rechtzeitig vor den Feierlichkeiten noch einmal neu ein und lassen sich die Haare schneiden, denn während der Feiertage ist das absolut tabu. Fà bedeutet nämlich Haare und leider auch Glück, und da möchte man schließlich nicht, dass während dem Fest das viel wichtigere Glück mit den Haaren konkurrieren muss. Genauso verhält es sich mit den Schuhen. Xiéze bedeutet auch böse, auch das wäre ein schlechtes Omen für das neue Jahr. Rechtzeitig erledigen, was erledigt werden muss, lautet also die Devise. Vor Neujahr wird auch noch dem Küchengott mit einer Opfergabe aus Reis gehuldigt. Das ist eine Art Bestechung, denn der liebe Küchengott geht so ganz benebelt zum Jadekaiser, welcher ausführliche Berichterstattung verlangt, und erzählt natürlich nur Gutes. Als Dank für sein korruptes Wesen wird der Küchengott am vierten Tag nach Neujahr zum Tee empfangen. Diese Geschichte verrät im Grunde genommen so ziemlich alles über das chinesische Wesen.
Rote Umschläge und Ravioli
Am Vortag vor der Silvesternacht muss erst einmal jeder Hand anlegen beim Jiǎozi rollen. Jiǎozi sind quasi die chinesischen Ravioli, Teigtaschen mit Fleisch- oder Gemüsefüllung, die jeder liebt, der sie einmal gegessen hat und die auf einem chinesischen Tisch eigentlich nie fehlen dürfen. Dann wird ein reichhaltiges Essen, bestehend aus Fisch und Huhn, aufgetischt, das nicht ganz aufgegessen wird – in China lässt man immer einen Rest Essen übrig, was zeigen soll, dass man nicht arm ist – und anschließend werden rote Umschläge mit einem netten Geldbetrag an die Kinder verteilt. Je höher der Status, desto mehr Geld. Ja ja, knallhart, die Chinesen. Ab 23 Uhr wird es laut und jeder, der ein Feuerzeug zur Hand hat, zündet fleißig Zündschnürchen von Knallern und Raketen an. Jemand, der es nicht mit eigenen Augen gesehen hat, kann sich nicht vorstellen, was Feuerwerk in China bedeutet. In jeder Stadt spielt sich ein Spektakel ab, das jenes vor dem Brandenburger Tor um das mindestens Hundertfache übersteigt. Schon Wochen vor dem Feuerwerk stehen an jeder Straßenkreuzung Stände, die Böller verkaufen, für die man in Deutschland einen Waffenschein bräuchte. Zum Schreien ist auch die stoische Gelassenheit, mit der Chinesen ihre Waffenarsenale auffahren und bei regelrechtem Kriegslärm noch nicht einmal mit derWimper zucken.
„Xīnnián kuàilè “ – frohes neues Jahr
Um 0:00 Uhr verlässt man munter das Haus, nicht ohne vorher alle Fenster sperrangelweit aufzureißen und, ganz wichtig, die Lichter brennen zu lassen. Übersetzt heißt das, man nimmt das alte Jahr mit all seinen Problemen mit nach draußen und lässt das Neue mit all seinem mitbringenden Glück durch die offenen Fenster hinein. Die brennenden Lichter sollen den Weg weisen, damit sich das Glück auch ja nicht verirrt. Überall werden Löwentänze aufgeführt, eine Tradition, die auf der Überlieferung eines Kaisers basiert, dem einst im Traum ein Fabelwesen erschienen ist. Geknallt wird nicht wie bei uns nur ein Weilchen, sondern die ganze Nacht hindurch bis in die frühen Morgenstunden.
Das neue Jahr hat begonnen
Auch der erste Tag im neuen Jahr steht ganz im Sinne der Familie, die sich zu einem erneuten Festessen versammelt. Man macht sich gegenseitig Komplimente, verteilt rote Umschläge – diesmal an die unverheirateten Kinder – und gedenkt seiner Ahnen. Die Feierlichkeiten hören hier selbstverständlich noch nicht auf, ganz im Gegenteil. Obwohl gesetzlich drei Feiertage vorgeschrieben sind, richtet sich das Fest nach dem traditionellen Bauernkalender, das erst nach fünfzehn Tagen mit dem Laternenfest endet. So werden in den kommenden Tagen die davongeflogenen Töchter mitsamt Ehemännern begüßt, wie schon erwähnt der Küchengott empfangen, die Verwandten besucht und, ganz wichtig, der Geburtstag des Wohlstandsgottes mit jeder Menge Jiǎozi zelebriert. Das Laternenfest ist der letzte Akt, und mit dem Verzehr von süßem, klebrigen Reis steht man nun mit beiden Füßen im neuen Jahr.
Der Affe – klug, aber zu unentschlossen
Am 08. Februar 2016 weicht die sanftmütige und etwas scheue Ziege also dem neugierigen Affen, was bewegende, ja vielleicht chaotische Monate verspricht. Die bisherigen Turbulenzen an Chinas Börsen deuten den Affen bereits jetzt schon an. Es wird also einiges los sein. Genauer gesagt ist dieses Jahr der Feueraffe am Zug. Wie bitte? Ja genau! Den zwölf Tierkreiszeichen, von denen also jedes alle zwölf Monate einmal an der Reihe ist, werden wiederum fünf Elemente zugeordnet – Feuer, Metall bzw. Gold, Holz, Erde und Wasser. Während zum Beispiel der Feueraffe als ambitioniert, abenteuerlustig, aber leicht aus der Ruhe zu bringen ist, ist der Gold- oder Metallaffe eher von wendiger, sicherer, aber ebenso störbarer Natur.
Empfehlung: Last Train Home ist eine bewegende Dokumentation über die jährlich stattfindende größte Migrationswelle der Welt über Neujahr in China, erzählt am Schicksal einer hart arbeitenden Familie.
Eine Kombination von einem Tierkreiszeichen mit einem bestimmten Element ist demnach nur alle sechzig Jahre möglich. Doch genug der Mathematik, mit wem hat man es mit dem Affen zu tun? Der Affe mag Farben, besonders Weiß, Gold und Blau, setzt im Kasino auf die Vier und Neun und lieber nicht auf die Zwei oder Sieben, immer auf schwarz statt auf rot. Der Affe ist ideenreich, schlau und sein Charakter macht Eindruck auf andere Menschen, dessen Augen auf ihm haften bleiben. Ein Affe liebt das Leben, und das Leben liebt ihn. Doch neigt er dazu, mit seiner Klamaukerei, die nicht böse gemeint ist, dem ein oder anderen zu nahe zu treten. Er ist intelligent, gerissen und fühlt sich in Banken, im Aktienhandel, im Ingenieurwesen, der Wissenschaft oder im Filmgeschäft pudelwohl. Er mag Herausforderungen und hat mehr Interessen, als vielleicht gut ist, weswegen er seine Ziele hin und wieder aus den Augen verliert und ihm trotz seiner Cleverness oft die Karriere verwehrt bleibt, zu der er eigentlich das Potential hätte. Affen sind aufgrund ihrer ständigen Herumturnerei gesund und legen sich zunächst nur schwer auf einen Partner fest. Wenn aber doch, dann ist es ernst gemeint und die Bindung hält oft ein ganzes Leben lang. Und was passiert nun 2016? Das weiß nur ein Affe!