Die Halong-Bucht in Vietnam
Die Bucht des untertauchenden Drachen gehört zu den atemberaubendsten Landschaften der Erde
Unser Boot schaukelt sachte hin und her, während die immer noch heiße Abendsonne mit ihren jetzt goldenen Strahlen die Bucht in ein vollendetes Paradies verwandelt. Ich stelle meinen linken Fuß auf die Reling, dann den zweiten, und versuche die Balance zu halten. Als ich es nicht mehr schaffe, drücke ich mich nach vorne ab, um kurz danach in das kühle Wasser zu tauchen. Als ich die Wasseroberfläche, an der sich Strahlen brechen, wieder durchbreche, lasse ich mich auf dem Rücken treiben, blicke in den blauen Himmel und dann um mich herum, wo unzählige mit dichtem Dschungel bewachsene Hügel steil aus dem Wasser hinauf gen Himmel ragen. Es sind hunderte, die wiederum tausende dahinterliegende verbergen.
Alles beginnt mit einem Drachen
Der berühmte Architekt Rem Koolhaas sagte einmal zur Halong-Bucht, dass mit ihrer Ernennung zum Weltnaturerbe durch die UNESCO auch gleichzeitig ihr Ende besiegelt wurde. Seitdem würde sie, wie alle auf diese Art ausgezeichneten Orte, praktisch nieder gerannt vom Massentourismus. In einem solchen Fall gehen bei einem Individualreisenden alle Alarmglocken an, der solche Hotspots normalerweise in weitem Bogen umgeht. Doch es gibt Reiseziele, die trotz aller Unannehmlichkeiten einen Besuch wert sind, dessen Zauber auch durch Tausende von Besuchern nicht erlischt. Die Halong-Bucht ist ein solcher Ort.
Legenden
Bucht des untertauchenden Drachen also, nun – über die Entstehung von Vinh Ha Long, so der vietnamesische Name der Bucht, schwebt eine Legende. Eine besagt, dass einst an Drache an dieser Küste lebte. Als er zur Küste lief, zog er Furchen in die Landschaft, die, als er schließlich im Meer untertauchte, überfluteten. Eine andere Legende besagt dass der Drache zum Schutz vor den Feinden aus dem Norden, den Chinesen also, von den Göttern geschickt wurde und deswegen die Furchen mit seinem Schwanz schlug. Welche der beiden Legenden auch stimmen mag, die Echse hat wirklich ganze Arbeit geleistet.
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Die Bucht
Vinh Ha Long , die Halong-Bucht , ist eine Inselgruppe in einem Gebiet von etwa 1.500 km² im Nordosten Vietnams. Mehr als 2.000 Kalkfelsen ragen hier steil aus dem Wasser heraus, manche davon hunderte Meter. Die Bucht hat ihren Ursprung vor 300 Millionen Jahren, als ein Kalksteinplateau begann, sich abzusenken, zu ertrinken. Die heute zu sehende atemberaubende Landschaft sind dessen Überreste, die nun ein gewaltiges Labyrinth von Wasserwegen bilden. Die Kalkfelsen sind zu großen Teilen mit dichtem Dschungel überwachsen und beherbergen eine subtropische Pflanzen- und Tierwelt. Manchmal ragen sie einfach vereinzelt in die Höhe, und manchmal bilden Gruppen von ihnen phantastische Gebilde. Vielerorts hat sich das Wasser seinen Weg durch das Gestein gebahnt, so entstanden unzählige Lagunen und tiefe Höhlen. An den Säumen der Felsen bilden sich bei Ebbe herrliche Strande, die in der Flut wieder verschwinden. Weit über 100 Kilometer zieht sich dieses Wunder der Natur in südöstlicher Richtung bis in den Golf von Tonkin sowie nach Norden bis an die Grenze Chinas, und auch dort hört es nicht auf. In der chinesischen Provinz Guangxi gibt es ebenfalls tausende dieser Kalkfelsen, nur sind sie dort nicht von Wasser umgeben. Die Halong-Bucht gehört zu den spektakulärsten und schönsten Landschaften dieser Erde. Es ist ein unvergessliches Erlebnis, sich mit dem Boot in die Weiten der Bucht zu begeben und eine Nacht auf See zu verbringen.
Cát Bà Island
Den gleichen Plan haben natürlich unzählige Reisende. Die meisten von ihnen kommen von Hanoi nach Halong-Stadt und stechen von dort aus meist in großen Gruppen auf See. Der Großteil der Tourbetreiber befindet sich hier, und unter ihnen treiben sich jede Menge schwarze Schafe herum. Mit günstigen Preisen werden so viele Passagiere wie möglich auf Booten zusammengepfercht, die zudem oft marode sind. Es gibt regelrechte Horrorgeschichten, welche bis zu Booten reichen, die in der Nacht gesunken sind. Selbstverständlich ist Halong-Stadt auch nicht die Idylle auf Erden. Es ist ein Tor zur Bucht mit jeder Menge Laufkundschaft, die man kann zweites Mal zu Gesicht bekommt. Ein Mc Donald’s am Strand sollte als hier niemanden wundern.
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Es gibt aber eine Alternative, und diese heißt Cát Bà Island. Die Insel selbst ist die größte der Halong-Bucht und Ausgangspunkt für Abenteuersport und Ökotourismus. Hierher gelangt man nur per Schnellboot von der Stadt Haiphong aus. Große Teile der Insel sind unberührt, und auch die schöne Lan Ha Bay ist in der Nähe. All das macht diesen Ort zu einem hervorragenden Ausgangspunkt für Expeditionen in die Umgebung. Die Stadt Cát Bà selbst, deren Zentrum sich entlang einer einzigen Hauptstraße entwickelt, konnte sich dem Tourismus geschuldeten Hotelboom natürlich auch nicht entziehen und ist eher hässlicher Natur. Das Leben hier gestaltet sich aber sehr zurückgelehnt und die Strandpromenade hat vor allem nachts durchaus ihren Charme, wenn sich die Bewohner schick machen und vergnügt auf und ab gehen. Dann gleicht die ganze Szenerie einem gigantisch langen, hell erleuchteten Jahrmarkt.
Der ultimative Übernachtungstipp
Am Ende der Strandpromenade erstrecken sich drei Badestrände. Während die ersten beiden gehobenen Hotelanlagen angehören, wird der dritte, etwas versteckte Strand von Studenten bewirtschaftet, die hier den Sommer über arbeiten. Hier gibt es mehrere ganz einfache Bungalows aus Holz, in denen man direkt am Wasser für wenig Geld übernachten kann. Wer also mit dem Meerrauschen einschlafen möchte, der ist hier genau richtig.
Es geht los
Den richtigen Anbieter zu finden, gestaltet sich für uns als die schwierigste Aufgabe. Die Läden dieser befinden sich entlang der großen Promenade, und durch Vorrecherche im Internet suchen wir gezielt einige auf. Klar wäre die Tour in einer großen Gruppe für sehr wenig Geld möglich, aber das ist die Halong-Bucht , und wir werden hier kein zweites Mal mehr sein. Wir entscheiden uns für ein Boot für uns ganz alleine und für eine Nacht auf See, was wir uns 200 Dollar kosten lassen, was soll’s. Die Wettervorhersagen stimmen, und am nächsten Morgen treffen wir unsere dreiköpfige Crew, zwei Köche und unseren Guide, am Hafen, die das Boot schon abfahrbereit gemacht hat. Unser Boot hat ein Oberdeck, auf der man es sich bequem machen und die Landschaft bestaunen kann, und ein Deck, bestehend aus einem Gemeinschaftsraum, Küche und unserem Schlafzimmer. Es ist eine Freude, die Taue loszubinden und endlich abzulegen, hinaus in dieses Abenteuer.
Schwimmende Dörfer und sich küssende Felsen
Wir umfahren Cát Bà Island in südöstlicher Richtung. Zur einen Seiten erstreckt sich die riesige Weite des südchinesischen Meeres, zur anderen die Flanke von Cát Bà Island. Nach einer Weile fahren wir Richtung Norden, hinein in die Schluchten von Lan Ha Bay. Je weiter wir fahren, desto mehr rücken die zerklüfteten Felswände zusammen. Der Anblick ist traumhaft. Wohin man auch sieht, erblickt man einen dieser gewaltigen in den Himmel ragenden Felsen und man kann phantasieren, welche Figur welche bizarre Form wohl darstellen soll.
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Dann legen wir an einem sogenannten schwimmenden Fischerdorf an. Auch hier in der Halong-Bucht leben Menschen, die es gelernt haben, sich mit dem Wasser zu arrangieren. Sie leben mit und von dem Meer und ihr gesamtes soziales Leben spielt sich in und zwischen schwimmenden Gemeinschaften ab. Solche Dörfer gibt es überall in Vietnam, doch hier sind sie berühmt. Schulen, Banken, Supermärkte, alles gibt es als schwimmende Variante. Wir staunen nicht schlecht, als des Öfteren kleine Bötchen auf uns zu rudern, die sich als schwimmende Kioske entpuppen, und vom Schokoriegel bis zum Flaschenbier alles da haben. Die Haupteinnahmequelle der insgesamt ca. 2.000 Menschen hier sind der Fischfang und die Perlenzucht, die manche der vielen Fischerfamilien schon seit mehreren Generationen betreiben. Bei Taifunen suchen sie Zuflucht in geschützten Lagunen, und des Abends werden die Dieselgeneratoren angeworfen, um gemeinsam fernzusehen. Doch seit sich die Halong-Bucht 1994 Weltkulturerbe nennen darf und der Tourismus in der Folge explodierte, sind diese Menschen der Regierung ein Dorn im Auge. Heute ist es verboten, hier neu zu siedeln.
Das besagte Fischerdorf jedenfalls besteht aus einem Raster aus schwimmenden Stegen, die quadratische in die Tiefe ragende Netze einrahmen. Zwei Hunde erwarten uns bereits, als unser Boot, immer langsamer werdend, anlegt. Ich steige zusammen mit unserem Guide aus dem Boot, und ein Mitarbeiter der Fischfarm führt uns über die Anlage. Irgendwo brummt ein Dieselgenerator, der wohl auch den Fernseher versorgt, der aus einer Behausung zu vernehmen ist. Aus den Becken decken wir uns mit unserem Abendessen ein, einer großen Dorade, die wir mit einem Fangnetz aus dem Becken herausfischen. Dann legen wir auch schon wieder ab, um kurz darauf an einem schwimmenden Kayakverleih anzuhalten. Dort verladen wir zwei der kleinen Flitzer auf unser Boot und stechen wieder in See.
Auf See
Wir haben Glück mit dem Wetter. Wir sind zwar Anfang Juni weit außerhalb der Hauptreisezeit von September bis November hier, doch trotzdem ist die Sicht klar und die dichte Bewölkung wird von der Sonne abgelöst, die den Himmel bald in ein Meerblau taucht, um ihn mit diesem zu verschmelzen. Was schreibt man nun über zwei Tage auf See? Nun, wir sitzen da, auf Deck, während die Wellen das Boot sachte hin und her schaukeln und der warme Wind uns den Geschmack von Salz auf die Lippen zaubert. Wir schauen hinaus in diese Landschaft, die sich mit jedem zurückgelegten Meter ändert. Überall sind die Kalkfelsen zu sehen, die wir mal in weitem Bogen, mal ganz nah umfahren. Es ist ein Spiel der Perspektive, von dem man nicht satt wird. Wir bekommen ein Gefühl für die Weite, denn obwohl wir gewiss nicht allein hier draußen sind, andere Boote sehen wir kaum. Dort der Ozean, hier wir, mittendrin. Ruhe übernimmt die Kontrolle über den Körper, und wir fühlen uns frei, so frei, wie es nur geht. Was interessieren mich mein Schreibtisch des Büros, an dem ich vor kurzem noch saß, was die Millionen Schreibtische der Millionen Menschen. Das hier ist das echte Leben, die echte Welt, und sie ist wunderschön, und immer in Bewegung, ob wir hinsehen oder nicht. Wir sehen hin, und fühlen uns gut dabei. Es gibt keine Sorgen, nicht hier.
Ab und zu setzen wir Anker, zum Beispiel für das fantastische Mittagessen. Die Dorade schmeckt einfach köstlich. Später am Tag werfen wir erneut Anker vor einer riesigen Felswand, nur unten ist ein Spalt zu sehen. Es ist eine Höhle, die durch den Fels in eine Lagune führt. Mit den Kayaks hindurch zu fahren, kostet einiges an Überwindung. Als wir hineinsteuern, entwickelt sich eine starke Strömung und wir sehen nichts, nur etwa 30 Meter entfernt den Ausgang der Höhle. Wir sind heilfroh, als wir es bis dorthin schaffen, denn unter Strömung mit einem Kayak zu manövrieren will gelernt sein. Die Lagune ist ein völlig abgeschiedener Ort. Zu allen Seiten ragt dichter Dschungel steil hinauf. Wir haben das Glück, Affen zusehen, die vergnügt in den Bauwipfeln herumtollen. Am selben Tag sehen wir noch die berühmte Sung Sot Höhle, eine riesige Tropfsteinhöhle mit unzähligen Stalaktiten und Stalagmiten. Am Abend fahren wir in eine riesige halboffene Lagune und während wir auf das Abendessen warten, springen wir einfach von der Reling ins Wasser. Der Abend legt sich über das Land, und wir beobachten einen Fischadler auf der Jagd bei seinen Fangversuchen. Es wird ein geselliger Abend in der Kabine, in der uns unser Guide viel erzählt über Land und Leute. Noch lange sitzen wir an Deck, bis die Nacht hereinbricht, und nur noch ein vom Mond beschienener Streifen des Meers zu sehen ist.
Auch der zweite Tag auf See ist großartig. Wir fahren in Bai Tu Long Bai im Zentrum der Halong-Bucht. Wir schwimmen zu einem Strand, den wir ganz für uns allein haben, gehen schnorcheln, und sehen uns einmal mehr satt an der Landschaft. Ab Abend ist es Zeit für die Rückkehr nach Cát Bà Island, wo wir nach einer weiteren, sehr stürmischen Nacht in unserem Bungalow am Strand aufbrechen gen Süden, immer gen Süden. Denn die Reise ist noch lang.